Unqualifizierte reisten mit Behinderten, Verwandte bekamen lukrative Posten. Der Bundesverband hofft jetzt auf Neuanfang.

Hamburg. Der Vorstandsvorsitzende der Lebenshilfe Schenefeld, Heinz Piel, zieht nach dem Abendblatt-Bericht über den Betreuungsskandal um eine vom Verein organisierte Spanien-Reise mit Behinderten persönliche Konsequenzen. "Ich werde am 5. Oktober bei der Mitgliederversammlung nicht mehr für den Vorstand kandidieren", sagte Heinz Piel gestern dem Abendblatt. Von der Bundesvereinigung Lebenshilfe wird diese Entscheidung begrüßt. "Das ist ein positives Signal", sagt auch Peter Schaumann, Vorstand der Stiftung Lebenshilfe Süd-Holstein. Nach Abendblatt-Informationen gibt es seit Längerem Kritik am Führungsstil des 67 Jahre alten Piel. Vor allem seine familiären und geschäftlichen Verquickungen mit dem Verein sorgen für Unmut.

Wie berichtet, hatte der Verein zwei 20 Jahre alte, völlig unerfahrene Abiturienten als Begleiter einer vierköpfigen Behindertengruppe losgeschickt. Die jungen Männer hatten zudem von einer Betreuerin das verschreibungspflichtige Beruhigungsmittel Tavor mitbekommen. Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft Itzehoe ein Vorermittlungsverfahren eingeleitet. Politiker im Kreis Pinneberg hatten sich empört geäußert.

So etwas soll nun nicht mehr vorkommen, versicherte die Lebenshilfe: Künftig soll qualifiziertes Personal die Reisen begleiten. Das wurde bei einem Gespräch am 1. September beschlossen, an dem neben Lebenshilfe-Mitarbeitern auch die Vertreter der Heimaufsicht und der Sozialbehörde aus Hamburg dabei waren.

Mit dem Rückzug Piels ist nun in vielen Bereichen eine Erneuerung des Vereins möglich. "Piel ist sehr innovativ, aber auch ein unbequemer Zeitgeist", bringt Peter Schaumann es auf den Punkt. Zwar hat der Schenefelder den Verein, der mehr als 600 Behinderte betreut, seit 1979 erfolgreich aufgebaut, aber er war auch der dominante Herrscher in der Organisation. Und er hat es im Laufe der Jahre geschafft, seine engsten Familienmitglieder auf gut dotierten Posten in den Lebenshilfe-Einrichtungen unterzubringen.

So war seine Frau Margret (66) bis 2006 hauptamtlich bei der Geschäftsstelle Lebenshilfe beschäftigt. Seit September 2008 ist seine Schwiegertochter Dagmar Piel Restaurantleiterin des vom Verein neu erworbenen Fährhaus Teufelsbrück in Othmarschen. Auch Piels Sohn Karsten, ein Textil-Betriebswirt, arbeitet seit Januar in leitender Funktion im Lebenshilfewerk für Behinderte in Schenefeld. Geschäftsführer dieser gemeinnützigen GmbH ist Heinz Piel.

Aus seiner Sicht sind die familiären Verknüpfungen kein Problem: "Meine Schwiegertochter und mein Sohn sind für die Jobs sehr qualifiziert." Auch findet er nichts anrüchig daran, dass er mindestens ein Jahrzehnt lang mit seiner Firma von der Lebenshilfe Schenefeld profitiert hat. Die hat bis Anfang 2009 für ihre vielen Einrichtungen vom Kindergarten bis zur Wohngruppe die meisten Heimtextilien wie Handtücher oder Bettwäsche bei Piels Hamburger Firma bezogen. "Zu marktüblichen Preisen", betont Piel - allerdings ohne den marktüblichen Wettbewerb.