Verdeckte Zahlungen gibt es schon länger. Im Abendblatt berichtet ein Arzt, wie er geködert werden sollte.

Die Besucherin in seiner Praxis war freundlich. Und sie hatte ein lukratives Angebot im Gepäck. "Eine Beraterin der Endoklinik war bei mir mit einem Katalog zur integrierten Versorgung. Sie warb damit um meine Patienten, die Endoprothesen benötigen", sagt Dr. Torsten Hemker, Facharzt für Orthopädie in der Hamburger Neustadt. Eigentlich nichts Ungewöhnliches und juristisch nicht verwerflich.

Doch Details in der Vergütungsvereinbarung ließen Hemker das Angebot ablehnen: "Für jede Nachuntersuchung hätte ich 125 Euro erhalten. Das ist eine gute Nummer - liegt bei Orthopäden die Fallpauschale für eine vierteljährliche Patientenbehandlung doch zurzeit bei 42 Euro." Das Dreifache für eine einzige Behandlung - eine versteckte "Fangprämie", wie Insider es nennen, die alles andere als unüblich ist. "Es mag Kollegen geben, die das annehmen - ich jedenfalls nicht", so Hemker. Das Bekanntwerden dieser verdeckten Zahlungen von Kliniken an Ärzte (wir berichteten) löste heftige Reaktionen bei Ärztevertretern und Krankenkassen aus.

Der Vorstandschef des Ersatzkassenverbandes (VDEK), Thomas Ballast, reagierte entsetzt: "Die Patienten vertrauen ihren Ärzten. Sie erwarten, dass ihr Arzt ihnen eine gute Klinik empfiehlt und sie dort einweist, wo sie die bestmögliche Behandlung erwarten können." Und nicht dort, wo dem Arzt das lukrativste Angebot gemacht wird. Ballast forderte die Krankenhausgesellschaften und Ärztevertreter auf, die verdeckten Zahlungen von Krankenhäusern an niedergelassene Ärzte zu unterbinden. "Die Praktiken belegen, dass offenbar finanziell noch Luft bei den Fallpauschalen ist". Das bedeutet: Wenn die Kliniken die Kopfprämien nicht zahlen, können sie noch günstiger arbeiten, die Kosten im Gesundheitswesen wären nicht so hoch.

Hemker sieht die Schuld jedoch nicht allein bei den Krankenhäusern: "Die Krankenkassen sitzen zum Teil mit im Boot. Auch sie schließen mit Kliniken Verträge." Der Patient, so der Orthopäde, ginge dabei unter: "Aus ärztlicher Sicht ist das eine Katastrophe." Auch der Berufsverband Deutscher Internisten hält Zahlungen für Einweisungen für juristisch und moralisch verwerflich. Die Unabhängigkeit des Arztes sei in Gefahr, wenn der Arzt von einer Krankenhaus-Einweisung einen finanziellen Vorteil habe, sagte Verbandspräsident Wolfgang Wesiack.

Ein Hamburger Urologe, der nicht genannt werden wollte, sagte dem Abendblatt: "Die wenigen bekannten Fälle von Fangprämien sind nur die Spitze des Eisbergs. Es ist absolut üblich, dass Krankenhäuser die Ärzte mit Prämien vor allem für Prostata-Operationen und andere Behandlungen locken. Der Wettbewerb zwischen Krankenhäusern und Spezialpraxen, die ambulant und günstiger operieren, wird mit ausgefahrenen Ellenbogen ausgetragen. Da müssen sich die Kliniken die Patientenströme sichern."

Dr. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Ärztekammer Hamburg, bestätigte dem Hamburger Abendblatt auf Nachfrage, dass die Kammer bereits mehrere Verträge, die Ärzten vorgelegt wurden, wegen der so genannten "Fangprämien" abgelehnt hätte. "Wir haben bisher alle diese Fälle in Hamburg durch Gespräche klären können", so Montgomery. In einem Fall seien sie jedoch vor Gericht gezogen - und hätten verloren: "Da waren wir übervorsichtig." Um wie viele Fälle es sich handelte oder um welche Kliniken, dazu wollte Montgomery nichts sagen. Nur so viel: "Von den ganz großen Kliniken in Hamburg habe ich ein solches Vorgehen noch nicht gehört."

Die Endo-Klinik hat derweil die Vorwürfe zurückgewiesen. "Wir haben in der integrierten Versorgung Verträge, bei denen niedergelassene Ärzte zum Beispiel die Nachbehandlung machen und ganz normal über die Gebührenordnung abrechnen", sagte Endo-Sprecherin Aguedita Afemann dem Abendblatt. Einen Katalog mit Lockangeboten für gezielte Überweisungen für Praxisärzte gebe es nicht.