Hannchen Dehn, geboren 1920, lebte in den 30er-Jahren bei ihren Eltern in Hamm. “Ich habe eine Ausbildung zur Laborantin gemacht. Wie jeden Morgen bin ich auch am 1. September kurz vor acht Uhr mit der Straßenbahn Linie 27 in die Dorotheenstraße zur Arbeit gefahren.

Es war ein ganz normaler Tag, zumindest bis zum Mittag. Die Pause habe ich mit vielen Mitarbeitern in der Kantine verbracht. Dort lief das Radio, und die Sprecher verkündeten, dass Deutschland in Polen einmarschiert sei. Die Reaktionen meiner Kollegen waren gemischt. Viele, besonders die älteren, waren nicht begeistert. Einige jüngere schauten hingegen zufrieden, so nach dem Motto: Jetzt werden wir gerächt. Eine Kollegin hingegen brach zusammen. Sie hatte ihren Verlobten im Ersten Weltkrieg verloren, und mit den Neuigkeiten kamen alle Erinnerungen wieder hoch. Ein schrecklicher Moment. Wir haben alle erst einmal weitergearbeitet. Nur hin und wieder fanden sich Gruppen zusammen, die über die Nachricht diskutierten. Auch die Heimfahrt war zumindest an diesem Tag wie immer. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass in der Straßenbahn heftig diskutiert wurde oder Aufregung herrschte. Meine Eltern, die eine Gastwirtschaft hatten, haben hingegen pessimistisch reagiert. 'Das geht nicht gut?, sagte mein Vater. Wie recht er hatte."