Mystische Stimmung in Moorfleet: Am Freitag feierte “Varekai“ Premiere und bleibt noch sechs Wochen in der Hansestadt.

Hamburg. Ein Zirpen. Ein Zwitschern. Fremde Laute in der Dunkelheit. Ein Wald wird erkennbar. Magisch, mit farbenprächtigen Kreaturen. Langsam und vorsichtig schreiten sie umher. Skeptisch betrachten sie die sie umgebenen unbekannten Wesen, die Zuschauer. Die warten gespannt auf das, was kommen wird.

Cirque du Soleil, das ist mehr als Zirkus oder Entertainment Show. Es ist schon fast ein Mythos. Schillernde Kostüme, atemberaubende Akrobatik - ein Spektakel, das Menschen auf der ganzen Welt verzaubert. Und jetzt machen sich auch die Hamburger auf die Reise - in Richtung "Varekai" im Grand Chapiteau.

Plötzlich betritt ein komischer Ulk die Szenerie. Einen Wagen mit experimenteller Gerätschaft schiebend, findet er sich in der Mitte der "Manege" ein. Bezaubert von den süßen Zwitscherlauten, läuft er freudig umher. Doch plötzlich dröhnt ein Motorengeräusch durch das Zelt. Aufmerksam verfolgt er den Lärm - bis er ihn stoppt und schnappt. Schnell wirft er ihn in einen Behälter an seinem Wagen, betätigt mehrere Hebel und Schalter, bis endlich wieder der wohlbekannte Zwitscherlaut erklingt. In dieser Welt scheint alles möglich.

Die Welt von "Varekai" liegt "wo auch immer". Es ist ein Wort aus der Sprache der Roma, die ewig Wandernden der Welt. Mit dieser Produktion würdigt Dominic Champagne, Autor und Regisseur des Stücks, die Tradition der Zirkusnomaden auf ihren Wegen in unbekannte Welten. Fantasievolle Figuren entführen die Zuschauer in ein Reich voller Eleganz, Mystik und Unglaublichkeit. Basierend auf der griechischen Sage von Ikarus, der zu nah an die Sonne flog und herabstürzte, entwickelt sich die Rahmenhandlung dieser fantastischen Welt. In dem Stück landet er mit einem Fallschirm auf der Bühne - halb bewusstlos. Die zauberhaften Kreaturen umkreisen ihn, darunter auch "Die Versprochene". Ikarus' Hilflosigkeit weckt in der noch unscheinbaren Raupe Verlangen: Sie verwandelt sich vom Tier zur strahlenden Schönheit. Eine wunderschöne Liebesgeschichte beginnt. Doch sie ist nur der rote Faden des Spektakels. Ebenso faszinierend sind die vielen Nebenhandlungen, die die Annäherungen des Paares begleiten.

Überall auf der Bühne ist Bewegung: die Akrobaten im Vordergrund, die tanzenden Wesen im Hintergrund und die Statisten über den Köpfen der Zuschauer. Es ist eine kaum fassbare Szenerie. Ein Spiel mit den Sinnen der Betrachter. Der Blick weiß nicht, wohin er schweifen soll. Er wird von jedem leuchtenden Darsteller gefesselt. Von Zeit zu Zeit lässt man dem Publikum aber einen Moment zum Durchatmen. In Intermezzi zweier Clowns, die ohne rote Nasen als Zauberer oder Chansonsänger agieren, kommen die menschlichen Geister kurz zur Ruhe, um im nächsten Augenblick wieder den Atem anzuhalten.

Das Besondere dieser Vorstellung? Es ist die Mischung der klassischen Zirkuselemente mit unglaublichen akrobatischen Szenerien. Die halsbrecherischen Flüge und Sprünge von Schaukeln, leidenschaftlichen Hebefiguren und eleganten Kraftakte sorgen bei den Zuschauern für große Augen und offene Münder. Gänsehaut breitet sich unbezwingbar aus. Wie bei einem unbegreiflichen Wunder, dessen Zeuge man wird.

Umhüllt von sphärischer Musik und rhythmischen Klängen, fremden Lauten und Gesang in geheimnisvoller Sprache wird das Publikum langsam Teil des zauberhaften Reichs. Ein Reich, in dem man aus dem Staunen nicht mehr herauskommt - und das ist wörtlich gemeint.