Am Freitag war es noch idyllisch auf der Terrasse des Restaurants Rive im Altonaer Fischereihafen. Die Gäste tranken kühlen Wein, auf dem glitzernden Wasser schipperten die Hafenfähren.

Nur ein unter der Markise angebrachtes Mikrofon und Messgeräte störten das Bild. Rive-Betreiber Hubertus Henrich rüstet sich mit ihnen für die "Aidaaura", die mit ihrem Besuch an diesem Sonnabend von sechs bis 20 Uhr das neue Altonaer Kreuzfahrtterminal einweihen soll. Innerhalb eines Tages entlässt das Kreuzfahrtschiff erst 1200 Passagiere in die Stadt, um nur Stunden später die gleiche Zahl neuer Kreuzfahrer wieder aufzunehmen. Der Grund für Henrichs Offensive: Er fürchtet, dass mit dem Klubschiff, das von einer Nordeuropa-Tour zurückkehrt, auch jede Menge Dreck und Lärm hinzukommt.

Henrich, in Sachen Kreuzfahrtterminal schon als Aufständischer bekannt (wir berichteten), sieht den Ruß aus den Schornsteinen schon auf die Teller seiner Gäste herabrieseln und die Weingläser durch die Vibration der Schiffsmotoren klirren. Wie viel Schmutz und Lärm es ist, will der Gastronom jetzt genau wissen: Bewaffnet mit Mikros und allerhand Technik zieht er zu Felde und bläst zum großen Lausch- und Rußmessangriff. "Zur Simulation verschiedener Schiffslängen habe ich drei Messstationen im Abstand von 30, 60 und 90 Metern aufbauen lassen. Sie messen tieffrequente Schwingungen unter 300 Hertz, Schiffslärm über 300 Hertz und die Abgase", erklärt er.

Seine Sorge scheint berechtigt: Wie alle großen Schiffe wird auch die "Aidaaura" während der Liegezeit ihre Motoren laufen lassen, die aus Schweröl Strom erzeugen. Bei der Verbrennung des Öls, ein Abfallprodukt aus Raffinerien - Tausende Male schwefelhaltiger als Tankstellendiesel - entstehen jede Menge gefährliche Abgase: Schwefeloxide und Stickoxide zum Beispiel. Den Spottnamen "schwimmende Sondermüllanlagen" haben die Schiffe diesen Hinterlassenschaften zu verdanken. Nach aktuellen Studien sterben weltweit etwa 60 000 Menschen an Atemwegserkrankungen oder Lungenkrebs, verursacht durch die Abgase der Schiffsmotoren, 80 Prozent aller Stick- und Schwefeloxide in Hamburgs Luft sollen aus dem Hafen stammen. Aus diesem Grund dürfen in der HafenCity bereits in der unmittelbaren Umgebung des dortigen Kais keine Wohnungen entstehen, Bürogebäude müssen zur Wasserseite geschlossen sein. Eine Landstromversorgung könnte die Lösung sein und der Terminalumgebung die Schiffsabgase ersparen. Doch ihr Bau ist mehr als fraglich. Grund sind vor allem die hohen Kosten. Eine vergleichbare Anlage für die HafenCity wird mit 24 Millionen Euro veranschlagt, Reedereien lehnen sie als unwirtschaftlich ab. Auch die technische Realisierung sei noch nicht ausgereift, sagt Michael Ahrens von der Wirtschaftsbehörde.

Noch stehen die Zeiger an den Messgeräten auf null, in einer Ecke hinter der Bar werden die Daten auf einem Computer zusammenlaufen. Doch wenn die Touristen ankommen, werden sie ausschlagen. Erst recht, wenn auch die "Queen Mary 2" an diesem Sonnabend um 9.30 Uhr in der HafenCity an- und um 20.30 Uhr wieder ablegt.