Immer mehr Touristen übernachten in fremden Wohnzimmern. Schon eine Million “Couchsurfer“ tauschen kostenlose Schlafgelegenheiten aus.

Hamburg. Darunter sind auch 5400 Hamburger. Marion Üdema mag keinen anonymen Pauschalurlaub. Auch auf teure Ferienanlagen kann sie verzichten. Die 36 Jahre alte Fotografin aus dem Schanzenviertel macht auf wildfremden Sofas Urlaub - mal bei einem lesbischen Pärchen in San Francisco, mal bei einem verrückten Rumänen mit Plumsklo.

Üdema ist eine von weltweit mehr als einer Million Couchsurfern. Die Abenteuerurlauber verzichten auf teure Hotelzimmer und mieten sich direkt bei Einheimischen auf dem Sofa ein, völlig kostenlos und unverbindlich. Im Gegenzug bieten auch sie der Welt einen Schlafplatz an. Der Kontakt der Reiselustigen entsteht im Internet (unter www.couchsurfing.org ). Dort verraten die Urlauber in einem persönlichen Profil ihre Interessen und lernen sich gegenseitig kennen. Das "Couchsurfing" wird auch in der Hansestadt immer beliebter. Bereits 5400 Hamburger haben sich der von einem Amerikaner gegründeten Sofagemeinschaft schon angeschlossen.

Der 21-jährige Jan-Peter Horstmann hat von einer Freundin vom Sofasurfen erfahren und sich gleich angemeldet - allerdings bisher nur als Gastgeber. "Ich lebe in einer der schönsten Städte der Welt - ich will meinen Gästen die Alster zeigen, den Hafen, die Theaterszene", sagt Horstmann, der gerade eine Ausbildung zum Bühnendarsteller macht. Gerade kocht er für Martin Hansen Nudeln mit Tomatensauce. Der 24-jährige Australier schläft ein Wochenende auf Horstmanns schwarzer Ledercouch in Borgfelde, weil er sich hier für ein Tanzprojekt bewirbt. "Couchsurfen schafft eine wirkliche Verbindung zu einem Ort", meint der Australier. Er ist zum ersten Mal in der Hansestadt und will Jan-Peter Horstmann bald wieder besuchen. "Ich mag die Parks und die vielen schönen Kanäle hier", sagt er.

Auch Marion Üdema bereist nicht nur fremde Länder in fremden Wohnzimmern, sondern bietet seit einem Jahr auch ihr eigenes Sofa in der Schanze im Internet an. "Ich habe das Bedürfnis, etwas zurückzugeben", sagt Üdema. Vor Kurzem zeigte sie einem Gast aus Israel den Kiez und den Hafen. "Zuerst ist es ein komisches Gefühl, wenn ein wildfremder Mann in deinem Nebenzimmer schläft", sagt sie, "aber es war total nett." Die Couchsurfer sichern sich gegenseitig auf der Internetseite ab. So bewerten sich die Reisenden nach jedem Besuch untereinander und berichten von ihren persönlichen Erfahrungen. "Man erkennt auch recht schnell, ob jemand neue Kulturen kennenlernen will oder nur einen billigen Schlafplatz sucht", sagt Üdema. Die Dänin Nikoline Hoegsgaard hat sich erst vor wenigen Tagen als Couchsurferin im Netz angemeldet, jetzt sitzt die 23-Jährige schon am Wohnzimmertisch von Cornelia Zehnder in Fuhlsbüttel und isst Hähnchenfilet mit Spinat. Ihre 62 Jahre alte Gastgeberin hat schon rund 40 Reisende von Polen bis Peru auf ihrem Sofa in Fuhlsbüttel beherbergt. "So schließe ich Freundschaften aus aller Welt und poliere mein Englisch auf", sagt Zehnder. Auch wenn die Selbstständige viel arbeiten muss, nimmt sie sich immer Zeit für ihre Gäste.

Mit ihren Besuchern besteigt sie gerne den Michel oder fährt mit der Fähre nach Finkenwerder. "Die meisten sind auch ganz scharf auf die Speicherstadt", sagt sie. Zehnder war selbst schon auf fremden Sofas in Ghana unterwegs. "Alle waren so nett und hilfsbereit", sagt sie. Sie träumt nun von einer eigenen Couchsurfing-Reise durch ganz Afrika. "Irgendwann gebe ich meine Apotheke auf und packe meine Koffer", sagt sie, "und bis dahin hol ich mir den Urlaub eben ins Wohnzimmer."