Sommerferien - die Millionenstadt Hamburg macht Urlaub. Eine Stadt, die selten schläft, hält Siesta. Sechs Wochen lang.

Hamburg. "Früher brachte der Lärm die Menschen aus der Ruhe. Heutzutage ist es die Stille." Ernst Ferstl

Hamburg minus Hektik minus Zehntausende Hamburger ergibt Sommerferien. Die Metropole scheint (menschen-)leer - und voller Muße. Schon morgens auf dem Weg zur Arbeit, wenn der Bus an der Ampel allein beschleunigt. Wenn die "Rush-Hour" plötzlich Ruhe-Stunde ist. Sogar im Metrobus 5, "Europas meist frequentierter Buslinie", wie der HVV nicht ohne Stolz sagt. 60 000 Fahrgäste drängeln sich zwischen Dammtor und Grindelhof. An jedem Werktag vor den Ferien. Und an jedem danach. Jetzt ist es manchmal, als werde man in einem "Stretch-Bus" chauffiert. Der Luxus eines Sitzplatzes inklusive. Auch die Züge der U 2 und U 3, beides laut HVV "klassische Pendlerlinien", seien derzeit unterbesetzt. Hamburg fährt. Aber eben nach Gomera, nicht zum Gänsemarkt.



"Man reist nicht billiger und schneller als in Gedanken." Georg Weerth


Italien liegt manchmal an der nächsten Ecke. Die kleine Osteria. Dolce Vita mit Pizza und Pasta. Eine Reise in Gedanken. Aber ohne Buchung. Nicht Wochen vorher einen Tisch reservieren müssen. Einfach hingehen und genießen. Schon die Anreise ist unbeschwert und unbeschwerlich. Fast keine Parkplatznot in Eimsbüttel und Eppendorf. "Abends um acht Uhr kurvt man eigentlich stundenlang um den Block", sagt ein Freund. "Jetzt darf man sich sogar um 22 Uhr eine Lücke aussuchen." Hoffentlich gehen die Ferien nie zu Ende ...


"Ruhe ist Glück - wenn sie ein Ausruhen ist." Ludwig Börne


Weite in Wittenbergen. Fast wie auf einer einsamen Insel fühlen sich die Freundinnen Sina Schierenberg (23) und Solvejg Hoffmann (18) bei ihrem Picknick am Strand. "Man muss gar nicht in die Ferne, hier ist es doch auch schön." Und in die Ferne kann man schauen.


Aber ist denn Hamburg wirklich verwaister als zum Beispiel München? Ist es. Und zwar immer. In der Elb-Metropole kommen 2300 Einwohner auf einen Quadratkilometer, in der Bayern-Metropole sind es 4300. Hamburg gehört zu den am wenigsten besiedelten Großstädten. Und jetzt sind die Großstädter auch noch ausgeflogen.


"Alle Welt reist. So gewiss in alten Tagen eine Wetterunterhaltung war, so gewiss ist jetzt eine Reiseunterhaltung. 'Wo waren Sie in diesem Sommer'?" Theodor Fontane


"In Hamburg". Antworten die Touristen. 354 000 Besucher kommen zurzeit täglich an die Elbe. Die 40 000 Hotelbetten der Stadt seien gut belegt, so die Hamburg Tourismus GmbH. Es gibt Tage, an denen ist die Speicherstadt ein bisschen wie Klein-Tokio. Und der Hafen ein Vorort von Manchester. Denn aus Großbritannien kommen die meisten ausländischen Gäste. 80 Prozent der Besucher reisen aus dem Inland an.


Manche hüten das Haus der Verwandten, pflegen den Hund, bewässern den Garten. Der Wasserverbrauch sinkt in den Ferien nämlich nicht, der Stromverbrauch auch nicht. Wie leer ist die Stadt also wirklich? Das beantworten wir, wenn sie wieder voll ist. Wenn wieder jemand ans Telefon geht.