Experten rechnen mit rasantem Anstieg der Infektionen. Firmen entwickeln Notfallpläne. Am UKE werden inzwischen Impfstoffe getestet.

Hamburg. Die Zahl der Infizierten steigt täglich: Waren es vergangene Woche noch sieben Erkrankte, hat sich die Zahl der Schweinegrippefälle in Hamburg auf 18 mehr als verdoppelt. "Und sie wird weiter ansteigen, davon muss man ausgehen", sagt Prof. Gerd-Dieter Burchard, Leiter der Sektion Infektiologie des UKE.



Der Anstieg kommt nicht unerwartet: "Es sind bereits die ersten Urlauber aus den Sommerferien zurück, und allein sechs der Patienten in Hamburg haben sich mit der Schweinegrippe in Spanien angesteckt", sagt Rico Schmidt, Sprecher der Gesundheitsbehörde. Am Flughafen geben Informationstafeln über Verhaltensregeln Auskunft, Firmen haben Notfallpläne entwickelt, und am UKE ist die klinische Studie für einen Schweinegrippe-Impfstoff angelaufen. Sechs Fälle sind zurzeit in der Hansestadt akut, jedoch muss keiner davon in einem Krankenhaus behandelt werden. Schmidt: "Die Verläufe waren bisher alle mild und konnten und können so zu Hause auskuriert werden." Unterschätzen sollte man die Krankheit dennoch nicht: "Jeder, bei dem sich Grippesymptome zeigen, sollte bitte seinen Hausarzt anrufen und nicht gleich losrennen und damit im Wartezimmer sitzen", sagt Schmidt.


Hamburgs Ärzte seien gut informiert und vorbereitet, sagt die Pressesprecherin der Ärztekammer Hamburg, Dorthe Kieckbusch. "Schon seit Wochen gibt es Informationen auf unserer Homepage, wo Ärzte alles rund um das Virus erfahren können und Tipps für die Hygiene in den Praxen erhalten." Generell verfüge Hamburg über eine sehr gute Versorgung in Sachen Schweinegrippe, so Schmidt: "Wir haben mit dem UKE, dem Bernhard-Nocht-Institut und dem Institut für Hygiene und Umwelt gleich drei große Labore, in denen die Verdachtsfälle getestet werden." Alle Krankenhäuser seien außerdem in der Lage, Isolierzimmer und wenn nötig Isolierstationen einzurichten.


Am UKE haben die klinischen Studien für einen Schweinegrippe-Impfstoff begonnen. "Wir testen bei den Probanden auf Verträglichkeit und Antikörper-Bildung", sagt Burchard. Im Herbst werde der Impfstoff vorerst für jeden dritten Bundesbürger zur Verfügung stehen. Geimpft werden sollten wie bei der saisonalen Grippe Risikogruppen wie Ältere und Menschen mit einem höheren Infektionsrisiko, zum Beispiel Ärzte.


Auch Hamburger Unternehmen haben sich gegen die Schweinegrippe gerüstet. Bei Airbus, Beiersdorf und ThyssenKrupp Technologies wurden Pandemiepläne für den Ernstfall erarbeitet und Krisenstäbe einberufen. "Wir haben umfangreiche Vorbereitungsmaßnahmen ergriffen", sagt Anja Gerber, Sprecherin von ThyssenKrupp Technologies, zu denen auch die Werft Blohm+Voss gehört. "Der Konzern hat Medikamente zur Therapie und Prophylaxe sowie Schutzausrüstung beschafft und eingelagert." Auch Beiersdorf und Airbus haben Masken und Medikamente vorrätig. "Im Herbst werden wir für alle Mitarbeiter eine kostenlose Impfung anbieten", sagt Airbus-Sprecher Tore Prang.

Der Deutsche ReiseVerband (DRV) beruft sich derweil auf Einschätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), wonach die Gefahr einer Ansteckung in Deutschland und im Ausland gleich groß sei. Eine Reisebeschränkung hätte, so die WHO, nur einen geringen Effekt auf die Weiterverbreitung des Grippevirus. "Die Neue Grippe ist nicht mehr auf ein einziges Land beschränkt. Es handelt sich um ein globales Phänomen, da eine Ansteckung überall möglich ist", betont DRV-Präsident Klaus Laepple. Fluggäste können sich dennoch am Hamburger Flughafen über Tafeln informieren, worauf man achten soll. Gibt es einen akuten Fall an Bord, ist der ärztliche Dienst des Flughafens rund um die Uhr abrufbereit, um den Kranken zu untersuchen und gegebenenfalls zu isolieren.


Hamburgs öffentlicher Nahverkehr sieht hingegen noch keinen Anlass, Sicherheitsvorkehrungen wegen der Schweinegrippe zu treffen. Allein die Hamburger Hochbahn hat prophylaktisch einen 4-stufigen Krisenplan vorbereitet, sagt Sprecher Christoph Kreienbaum. "Schutzmasken sind für den Notfall bestellt."


Für den Umgang mit der Schweinegrippe in Schulen und Kitas gelte bei der Schweinegrippe das gleiche Vorgehen wie bei anderen meldepflichtigen Infektionskrankheiten, etwa den Masern, so Schmidt. "Wegen eines erkrankten Kindes wird sicherlich keine Schule geschlossen werden. Welche Maßnahmen getroffen werden, ob etwa der Klassenraum desinfiziert wird oder besondere Hygienevorschriften eingeführt werden, muss im Einzelfall entschieden werden."


Derweil geht es dem bundesweit ersten an Schweinegrippe erkrankten Säugling in der Lübecker Uniklinik wieder gut. Der sieben Tage alte Junge habe die Medikamente (die Ärzte behandelten ihn mit einer minimalen Dosis Tamiflu) gut vertragen und wird voraussichtlich heute aus dem Krankenhaus entlassen.