Sehr geehrter Herr Strunz,

das war ja ein interessanter Einblick in die Medienwelt, in den riesigen Raum in dem die Informationen aus aller Welt zusammenfließen. Aber es war auch ein Blick in eine Männerwelt. Da sitzen die Herren wichtig und selbstgefällig im grauen Anzug vor ihren Bildschirmen. Nur ganz weit hinten leuchtet ein kleiner rosa Fleck. Da ist sie, die Frau nach der ich gesucht habe. Bei näherem Hinsehen gewahre ich noch die eine oder andere Dame. Und dann ist da auch noch die freundliche Redakteurin groß im Bild. Viel Womanpower scheint das Abendblatt aber nicht zu haben. Oder kletterten die Damen alle gerade anderswo auf der Karriereleiter herum und waren unabkömmlich?

Martina Boetticher, per E-Mail

Sehr geehrte Frau Boetticher,

die "eine oder andere Dame" sind Paula Moser, unsere Artdirectorin, und Astrid Pflugmacher, die Chefin vom Dienst. Außerdem sah ich auf dem Foto auch Uta Janitza, die für die Seite "Aus aller Welt" verantwortlich ist. Es gibt sie also, die starken, wichtigen Frauen im neuen Newsroom beim Hamburger Abendblatt, auf dessen Darstellung Sie sich beziehen. In unserem größten Ressort, der Lokalredaktion, sind 50 Prozent der Mitarbeiter Mitarbeiterinnen. 18 Frauen arbeiten derzeit in Teilzeit, weil sie Familie und Beruf verbinden. Mit Stephanie Nannen (Journal), Beate Kranz (Wirtschaft) und Maike Schiller (Kultur) sind drei weitere Kolleginnen in Führungspositionen. Und den Reporter-Pool, unsere wichtigste Geschichten-Schmiede, müssten wir eigentlich in Reporterinnen-Pool umbenennen, weil dort mehr als die Hälfte der Schreiber Schreiberinnen sind. Trotzdem hat Ihre amüsant und angriffslustig vorgetragene Kritik einen wahren Kern: Wir brauchen mehr Frauen. Es ist ja gar nicht mehr streitig, dass Gruppen kreativer sind, wenn Männer und Frauen auf einer Ebene zusammenarbeiten. Nicht wenige, vor allem amerikanische Unternehmen zahlen ihren Führungskräften nur dann den vollen Bonus aus, wenn in deren Abteilungen gleich viele Männer und Frauen arbeiten. Diesen Gedanken habe ich unlängst bei einem Führungskräftetreffen vorgetragen und wurde dafür kräftig kritisiert - von Frauen. Ihr Argument: Dies wäre die Einführung einer Quote und somit eine abzulehnende Stigmatisierung der Frau als hilfsbedürftiges Wesen. Von den Frauen gescholten und von den Männern im Kollegium fortan als Frauenverstehenwoller geadelt, kehrte ich in die Redaktion zurück.

Also keine Quote. Das ist vielleicht auch ganz gut so, denn wir können uns ja nicht von Männern trennen, nur weil sie Männer sind. Aber wir werden alles dafür tun, dass Frauen beim Hamburger Abendblatt gern arbeiten, Karriere-Perspektiven haben und mit ihren Texten unsere Leser und Leserinnen faszinieren. Das gehört zu den wichtigsten Aufgaben, die wir uns vorgenommen haben. Als ich nach sieben Jahren mein vorheriges Amt niederlegte, wurden vier der sechs zentralen Bereiche der Zeitung von Frauen geleitet und einer meiner beiden Stellvertreter war eine Stellvertreterin. Vielleicht ist ja eines Tages mein Nachfolger beim Hamburger Abendblatt eine Nachfolgerin.

Herzlichst,

Ihr

Claus Strunz