Wer frei hat, kann die Sonne genießen. Wer arbeiten muss, tut vor allem eines: schwitzen. Und heute soll es noch heißer werden.

Günther Spliesgar wischt sich über die Stirn. Schweißtropfen kullern unter seinem Helm hervor. Stahlträger ragen aus dem Wasser am Wandrahmsfleet in der Speicherstadt. Während viele Menschen im Park spazieren gehen oder die Eisdiele um die Ecke besuchen, muss der 49 Jahre alte Brückenbauer schuften - bei 27 Grad im Schatten.

Und heute soll es noch heißer werden. Eine Höchsttemperatur von 30 Grad erwartet der Deutsche Wetterdienst für Hamburg. Damit liegt der Juli bisher genau zwei Grad über dem Durchschnitt. An den 16. Juli 2007 konnte der gestrige Tag jedoch nicht heranreichen. Damals schwitzten die Menschen in Hamburg bei 33,3 Grad. Ein so hoher Wert wurde in der Aufzeichnung seit 1891 noch nie erreicht.

Für Günther Spliesgar sind das ferne Zahlenspiele. Wenn die Sonne den Sand auf der Baustelle zum Glühen bringt, muss es schnell gehen an der Wandbereiterbrücke, die seit einem halben Jahr neu errichtet wird. "Der Beton muss schnell in die Formen gegossen werden, denn je heißer er ist, desto schneller bindet er", sagt Spliesgar. Hitzefrei gebe es vom Chef natürlich nicht, aber er spende jede Menge Kisten Wasser. Um sechs Uhr morgens, wenn die Nacht die Stadt gekühlt in den Tag entlässt, beginnt Spliesgar seine Arbeit. Bei Feierabend hat er vier Liter Wasser getrunken.

300 Meter Luftlinie von Günther Spliesgar läuft Sandra Tach zwischen Landungsbrücke 5 und Landungsbrücke 2 hin und her. Für sie bedeutet die Hitze vor allem eines: ein gutes Geschäft. "Auf geht's zur Stadtrundfahrt in der schönsten Stadt der Welt", ruft sie den Touristen entgegen. In ein paar Minuten fährt der Doppeldeckerbus der "Hamburg City Tour" los. Viel Zeit für ein Foto hat Tach nicht, denn die Konkurrenz am Hafen ist groß. Schiffer werben mit Rundfahrten durch die Speicherstadt.

Eine Auszeit von der Hitze am Hafen bekommt die 20-Jährige erst, sobald die Tour beginnt. Dann steht sie mit Mikrofon oben im Doppeldecker, das Dach ist offen, und der Fahrtwind bringt Erfrischung. Den Touristen aus Japan und den USA zeigt sie die Stadt und erzählt, dass die Schwäne in Hamburg Beamtenstatus haben. "Sie symbolisieren traditionsgemäß den Geldadel", sagt sie. "Und solange es Schwäne gibt, geht es der Stadt gut." Diese Geschichten kämen immer gut an bei den Fahrgästen.

Doch an diesem Tag müssen auch Legenden schwitzen. Am Eingangsportal des Hotels Grand Elysée rückt sich Fiete Dreyer seine weinrote Fliege am Kragen zurecht. Die Uniform des Portiers muss perfekt sitzen. Und da bleiben wenig Lücken für Frischluft. Seit 20 Jahren arbeitet Dreyer schon als Portier im Grand Elysée. Seine Stammgäste kennt er alle mit Namen. Wenn gerade mal kein Auto mit einem Gast um die Ecke biegt, legt er sein Jackett ab. "Das Futter der Uniform ist aus Seide. Da kommt keine frische Luft rein", sagt Dreyer. Doch die Hitze erträgt der 70 Jahre alte Portier, wie ein Profi es eben muss - und verabschiedet die Fotografin mit einem Handkuss.

Für einen Handkuss hat Björn Lucas Saß keine Zeit. Dafür sind seine Hände auch viel zu schwitzig. 42 Kilometer hat er auf seinem Velotaxi seit Mittag zurückgelegt. Mit 13 Kilometer pro Stunde kutschiert der 24-Jährige Touristen durch die Stadt. Die Sonne macht ihm nichts aus. Im Gegenteil: "Auf dem Fahrrad habe ich doch Fitnessstudio und Sonnenstudio in einem."

Während Saß im T-Shirt durch die Stadt kurvt, schützt sich Thomas Schröder gegen die Kälte. An seinem Arbeitsplatz ist es 24 Grad - minus wohlgemerkt. Die klammen Finger greifen um das Lenkrad des Gabelstaplers. Schröder fährt Paletten mit abgepacktem Fisch und Fässer mit Konzentraten aus dem Tiefkühllager der Firma Kühlhaus Zentrum AG in Wilhelmsburg auf die Verladerampe. Gegen die Kälte schützt er sich mit zwei Paar Socken, einer Mütze und einem Thermoanzug. Alle 50 Minuten macht er eine kurze Pause, sonst kriecht die Kälte durch die Kleidung, und sein Körper beginnt zu zittern. Für Schröder gibt es mittags kein Vanilleeis und keine Cola. Er trinkt heißen Tee. Gegen die Kälte.