Ein Mann, ein Wort. Das kennen wir aus alten Zeiten. “Hier stehe ich und kann nicht anders.“ Mit diesen Worten hatte Luther seine Fundamentalkritik an der Heiligen Römischen Kirche begründet.

Wir kennen das auch aus dem Kino - und vielleicht auch aus dem wirklichen Leben. Aber aus der Politik? Da sind Haltungen im Zeitalter der Talkshows und gestanzten Wahrheiten selten geworden.

Ole von Beust brauchte mehr als ein paar Worte auf dem Bildungsparteitag seiner CDU. Es war eine Anekdote aus seiner Kindheit, mit der der Bürgermeister den erregten Konvent mit einem Schlag auf seine Seite zog. Als kleiner Junge habe er die Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium eigentlich nur bestanden, weil man den Sohn des Bezirksamtsleiters schwerlich durchfallen lassen konnte. Seine Botschaft: Er hatte Glück gehabt. Bildung und damit berufliche Chancen dürften aber nicht von Glück und Herkunft bestimmt werden.

Diese Anekdote zeigte auch den härtesten Kritikern: Die so umstrittene Primarschule ist für den Hamburger Bürgermeister nicht nur ein Kernstück des schwarz-grünen Koalitionsvertrags, sondern auch eine Grundsatzfrage - wenn man so will, eine Herzensangelegenheit.

Das mag viele überraschen. Vor allem die, die den Mann nur als wendigen Machtpolitiker wahrnehmen - als etwa jenen, der 2001 entschlossen die Chance zum Machtwechsel nach 44 Jahren SPD-Herrschaft nutzte und dafür sogar ein Bündnis mit dem politischen Schmuddelkind Ronald Barnabas Schill in Kauf nahm. Oder als den, der schnurstracks die schwarz-grüne Karte zog, als die Wähler ihm 2008 die absolute Mehrheit genommen hatten und das auch noch auf sanften Druck von Kanzlerin Merkel, die sich diese Koalitionsmöglichkeit für den Bund offenhalten lassen wollte.

Das "C" im Parteinamen bedeutet für den Mann christlich - und erst in zweiter Linie konservativ. Für die Schulpolitik heißt das für ihn: Chancengleichheit für alle. Und die kleinen Oles der 50er-Jahre heißen heute Mohammed oder Yasmina und Reza. Eine moderne, gerechte Politik schafft die Chancen für alle - und nicht die besten Chancen für die, die sowieso schon alle Chancen haben. Christlich heißt in diesem Sinne, dass man die Johanneums und Christianeums dieser Welt nicht ab-, sondern im Prinzip für alle schafft.

In diesem Sinne haben nicht nur einige Primarschulgegner vielleicht den Bürgermeister unterschätzt - das haben schon ganz andere getan. Erinnert sich noch einer daran, dass der frischgebackene CDU-Spitzenkandidat 1997 in der Drogenhilfe für Methadon-Programme eintrat, sich bis zuletzt für das Heroin-auf-Rezept-Konzept einsetzte? Den Dogmatikern in der Union gilt das noch heute als Teufelszeug. Für Ole von Beust war es eine Möglichkeit, Menschen zu helfen. In diesem Fall drogenabhängiger Menschen, die nicht selber die Kraft hatten, sich aus dem Sumpf zu befreien.

Von Beust hat nie wirklich zu den "Jungen Wilden" in der CDU gehört - den Wulffs, Müllers oder Kochs, die in der Kohl-Ära immer mal wieder den begrenzten Konflikt zum ewigen Kanzler suchten - zur persönlichen Profilierung. Ein Beispiel gefällig? Als Kurt Biedenkopf und sein Mitstreiter Meinhard Miegel mit Unterstützung des jungen von Beust Norbert Blüm ("Die Rente ist sicher") vorrechneten, dass der berühmte Generationenvertrag langfristig auf ein steuerfinanziertes Modell umgestellt werden müsste, war das ein Tabubruch. Das war vor über 20 Jahren - und von Beust bekam dafür so viel Prügel aus dem Adenauerhaus, dass ihm heute noch die Ohren glühen müssten.

Wir sehen, Ole von Beust ist schon häufiger bereit gewesen, für seine Überzeugungen Rückschläge in Kauf zu nehmen - und die Neigung dazu scheint eher zu- als abgenommen zu haben. Gewiss, der Mann ist lange genug Politiker, um nicht auch taktisch zu denken und zu handeln. Mit wem - außer den Grünen - soll seine Hamburger CDU denn koalieren? Mit der an der Elbe so überaus erfolgreichen FDP? Oder eine Große Koalition anstreben mit der SPD? Wohin das führt, haben die Christdemokraten in Berlin und Kiel ausgiebig studieren können ...

Karl Günther Barth ist stellvertretender Chefredakteur des Hamburger Abendblatts.