Unsere Gesellschaft ist in zwei Teile gespalten: Die einen können tun, was sie wollen, und kriegen immer mehr, die anderen können tun, was sie wollen, und kriegen immer weniger. Sollten die Boni nicht nur noch für erfolgreiche Arbeit gezahlt werden?

Liebe Redaktion!

"2,9 Millionen Euro extra für den Nordbank-Chef", berichtet das Abendblatt - offensichtlich wird nichts aus der Krise gelernt. Oder will keiner aus der Krise lernen? Unsere Gesellschaft ist in zwei Teile gespalten: Die einen können tun, was sie wollen, und kriegen immer mehr, die anderen können tun, was sie wollen, und kriegen immer weniger. Sollten die Boni nicht nur noch für erfolgreiche Arbeit gezahlt werden? Oder war die Arbeit von Herrn Nonnenmacher etwa erfolgreich? Wie kann es angehen, dass seine Bank Milliardenverluste macht, die Steuerzahler einspringen müssen, für andere wichtige öffentliche Aufgaben kein Geld mehr vorhanden ist und dann dem "erfolgreichen" Herrn Nonnenmacher auch noch Geld hinterhergeworfen wird? Wie kann es angehen, dass jeder normale Arbeitnehmer nicht mehr mit 65 Jahren in den Ruhestand gehen darf, sondern demnächst erst mit 67 Jahren, und Herr Nonnenmacher "eine ab dem 60. Lebensjahr wirksame Altersversorgung mit einem versicherungstechnischen Barwert von 1,5 Millionen Euro" erhält?

Nicht die Gier einzelner Manager ist das Problem. Das System, in dem das möglich ist, ist das Problem. Ist es da nicht vollkommen klar, dass es Menschen gibt, die glauben, dies System ist nicht gerecht, und sich Gedanken über Alternativen machen? Sind das wirklich nur Populisten?

Karsten Böhlke (per E-Mail)

Sehr geehrter Herr Böhlke,

ja, es sind Populisten, die Sie indirekt zitieren. Ihr Anführer Oskar Lafontaine und seine Anhänger wollen das bestehende System "überwinden", was nichts anderes bedeutet als Abkehr von Pluralismus, Marktwirtschaft und Rechtsstaat. Wer alles verstaatlichen will - übrigens auch die großen Medienkonzerne, was der Abschaffung der Pressefreiheit gleichkommt -, muss im Diskurs entlarvt werden, wenn er sich nicht durch seine Debattenbeiträge bereits selbst entlarvt hat.

Dennoch macht Ihr Zuruf nachdenklich. Sie thematisieren Rente und Managervergütungen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber, dass es exakt jene Bereiche sind, die Politiker in der jüngsten Krise zu besonderen Schwüren animiert haben: Die Rente darf - per Gesetz beschlossen - nie mehr sinken, und Bankenmanager dürfen unter dem Schutzschirm nicht mehr als 500 000 Euro im Jahr verdienen. Beides, so lautet meine These, wird in der Realität scheitern.

Wer den Bürgern vormacht "alles in der Welt möge einem mitunter stürmischen Wandel unterworfen sein, nur die deutsche Rentenzusage nicht" (FAZ), tut so, als komme das Geld aus der Steckdose. Kommt es aber nicht, weshalb die Behauptung zulässig ist, dass wir hier an der Nase herumgeführt werden sollen. Dass die besten Bank-Manager, die gebraucht werden, um der Krise zu trotzen, für 500 000 Euro arbeiten würden, haben ernsthaft nicht einmal die geglaubt, die es beschlossen haben - und schon lassen sich Umgehungstatbestände beobachten.

Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft, sieht es derzeit nicht gut aus in unserem Land. Es spricht für die Klugheit und Mündigkeit der Bürger, dass sie dennoch nicht scharenweise den Populisten auf den Leim gehen. Deshalb bin ich mir sicher: Unser System bietet alle Möglichkeiten, Fehlentwicklungen - auch die von Ihnen beschriebenen - zu korrigieren, ohne dass unsere Freiheit beschädigt wird. Wir werden Politiker immer daran messen, ob sie dieser Aufgabe gewachsen sind.

Mit freundlichen Grüßen,

Ihr

Claus Strunz