Vera Altrock fragt während des Urlaubs von Jens Meyer-Odewald Menschen, was sie bewegt, lädt sie auf einen Kaffee ein und lässt sie erzählen.

Manchmal weiß er nicht, was ihn mehr beschäftigt: Männer, die zu Buttondown-Hemden Krawatte und Socken in Sandalen tragen, oder die vielen Baustellen, die vor allem während der Sommermonate das Stadtbild verschandeln. "Im Moment nervt mich die Kreissäge", sagt Frank Rudolf Sobiechowski und schließt die Tür seines Geschäfts an der ABC-Straße. Zeit für eine Kaffeepause zwischen Manschettenknöpfen, maßgeschneiderten Anzügen und PC-Mäusen aus Krokodilsleder - der letzte Schrei bei seinen Kunden aus Dubai, die im Hotel nebenan wohnen.

"Gerade gestern habe ich 20 Telefonate mit den Behörden geführt. Ich bin manchmal unbequem, das weiß ich. Aber ich bin seit 1988 hier, und die Innenstadt liegt mir nun einmal am Herzen", sagt der Vorsitzende des ABC-Viertels - eine Ehrenaufgabe, die kein Geld, aber viel Ärger bringe. Sein aktuelles Projekt ist die Wiederherrichtung des Gänsemarkts mit alten Pflastersteinen.

Die Baustellen, ja, die machen ihm schon am meisten Sorgen. "Wenn man als Einzelhändler mehrere Monate ein Baugerüst vor der Nase hat, kann einen das heutzutage ruinieren", sagt der Herrenausstatter. "Insgesamt sollten alle gemeinsam und mit etwas mehr Fingerspitzengefühl handeln."

Vom allgemeinen Krisenbewusstsein hält der 50-Jährige ansonsten nicht viel. Er spürt die Krise nicht, sein Geschäft befindet sich deutlich im Plus. Anstatt täglich den Makel zu suchen, sollte man ohnehin viel öfter die Freude entdecken, lautet sein Lebensmotto. "Ich freue mich zum Beispiel schon morgens darauf, abends etwas Schönes zu kochen oder am Wochenende mit meiner Partnerin in mein Lieblings-Fischrestaurant in Niendorf an der Ostsee zu gehen." Schließlich lebe man ja nur einmal. "Arbeit gehört natürlich auch dazu", sagt Sobiechowski und öffnet seine Ladentür.