Zur Sonnabend-Ausgabe des Abendblatts hat Michael Schneider ein ambivalentes Verhältnis. Inzwischen liest er sie sehr gern, früher mochte er sie nicht. “Als Schüler habe ich das Abendblatt, das damals noch nachmittags erschien, ausgetragen.“

Weil die Sonnabend-Ausgabe so dick war, habe er zwischendurch zurückfahren müssen, um die Packtaschen an seinem Fahrrad wieder aufzufüllen. "Und das alles fürs gleiche Geld wie während der Woche".

Gelesen hat er die Zeitung, die auch seine Eltern abonniert hatten, damals kaum. "Der Ton war mir zu betulich." Dann war lange Funkstille, "wir hatten uns lange aus dem Blick verloren, das Abendblatt und ich."

Vor einigen Jahren, nach beruflichen Stationen außerhalb Hamburgs, habe er sich der Zeitung wieder angenähert, erzählt der 48-Jährige. So sehr, "dass ich das Abendblatt nun seit sechs Jahren im Abo habe", sagt Schneider, der mit seiner Familie in Reinbek lebt. Sein Urteil heute: "Die Zeitung hat sich von der Schreibe her deutlich beschleunigt, und sie ist viel bunter geworden. Das gefällt mir." Nur manchmal stelle er einen Rückfall ins Provinzielle fest: "Beim Gewinner des Ingeborg-Bachmann-Preises hieß die Zeile "Der Vorleser aus Rellingen". Das Lokalkolorit scheint manchmal übermächtig."

Morgens nimmt sich der Leiter der Akademie "Der Sandkrughof" mit Sitz in Schnakenbek (bei Lauenburg) 20 bis 30 Minuten Zeit für die Zeitungslektüre: "Wenn ich den Lokalteil gelesen habe, habe ich das Gefühl, ich weiß, was in Hamburg los ist." Auch die Politiker-Interviews lese er gern. Ebenso Hintergrundgeschichten, die ein aktuelles Thema "mit dem nötigen Reflexionsabstand" einordnen. Und gut formulierten Überschriften könne er ebenfalls viel abgewinnen, sagt Schneider. Wichtig sei auch die Seite "Aus aller Welt". "Das ist morgens anregend zu lesen." Schneider hält auch ein Plädoyer für Fotos abseits des Agenturangebots: "Ich finde die Fotos Ihrer Fotografen lebendiger, beispielsweise jene von Michael Zapf."

Im Wesentlichen sei er mit dem Abendblatt heute zufrieden, "nur manchmal sehe ich mir ein paar Leute über, im Augenblick Frau Poletto mit den Schulkantinen-Tests".

Negativ

Zu viel Lokalkolorit, manche Menschen zu gehäuft im Blatt, zurzeit Cornelia Poletto, zu wenige Hintergrundberichte zu aktuellen Themen, zu wenige Nachrichten aus der Metropolregion.

Positiv

Informativer Hamburgteil, gute eigene Fotos, beispielsweise von Michael Zapf, interessante Seite "Aus aller Welt", Format des Wochenendjournals, Porträts von Heike Gätjen, Interviews.