Mit der Hand schreibt meine Sekretärin nur noch selten. Manchmal, wenn sie es tut, schaue ich interessiert zu, denn sie ist Linkshänderin wie fast 20 Prozent der Bevölkerung.

Da die Buchstaben hierzulande von links nach rechts laufen, entwickeln Linkshänder eigenwillige Techniken, um das Geschriebene nicht zu verwischen. Manche beugen sich weit vor und winkeln den Arm mit dem Stift so, als nähmen sie jemanden in den Schwitzkasten. Andere drehen das Blatt senkrecht und schreiben von unten nach oben. Gott sei Dank versucht man heute nicht mehr, links begabte Kinder mit Gewalt auf "das liebe Händchen" umzuerziehen, ein neurologischer und pädagogischer Unsinn. Stattdessen geben sich manche Linkshänder ein elitäres Image: Sie halten sich für die kreativeren Menschen und verweisen auf Caesar und Chaplin, Beethoven und Dürer, Einstein oder Mozart. Andreas Baader oder Osama Bin Laden lassen sie lieber unerwähnt.

Aber dass auch Präsident Obama Linkshänder ist wie viele seiner Vorgänger, ist bemerkenswert. Ob Jesus mit links oder rechts in den Sand gemalt hat, ist der Bibel egal, ihr geht es mehr um die Inhalte unseres Handelns. So sagt der Bergprediger: "Du aber, wenn du anderen hilfst, lass deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte tut, hilf unauffällig. Und dein Vater, der ins Verborgene sieht, wird es dir lohnen."

Ein rätselhafter Spruch. Denn es ist ja praktisch nicht möglich, dass die Linke nicht weiß, was die Rechte tut. Und heißt es nicht an anderer Stelle: Du sollst dein Licht nicht unter den Scheffel stellen? Auch ist es problematisch, immer so geheim zu spenden, dass man am Ende für geizig gehalten wird. Nur noch anonym helfen und unerkannt davonschleichen? Jesus spitzt die Dinge gern zu. Ihm geht es hier um unsere inneren Motive: Wenn Rechte und Linke etwas Gutes tun, dann bitte nicht um des Lohns willen, nicht aus Prestigegründen, sondern aus Liebe zum Nächsten: wirklich "selbstlos", nämlich "von sich selbst los". Das gilt für alle, egal ob Links- oder Rechtshänder. Wenn sich beide ergänzen, können sie gemeinsam viel Gutes tun.

hwestphal@anderezeiten.de