Wer aus dem Berliner Politbetrieb nach Hamburg kommt und seine Gastgeber mit den Worten begrüßt: “Dass es hier so schön ist, habe ich gar nicht erwartet“, macht es sich unnötig schwer - zumal, wenn er im Hafen-Klub an den Landungsbrücken mit einem unvergleichlichen Elbpanorama beglückt wird.

Nun gut, Norbert Röttgen stammt aus Meckenheim, das ist 20 Kilometer südwestlich von Bonn im Rhein-Sieg-Kreis, der Blick auf die Blohm+Voss-Docks ist für ihn etwas ungewohnt, und außerdem will er es an diesem Abend auch schwer haben.

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion soll auf Einladung der CDU-Bürgerschaftsfraktion über sein Buch "Deutschlands beste Jahre kommen noch" sprechen. Es ist sein erstes Buch, man könnte eine Rede voller Optimismus erwarten, über blühende Landschaften und steigende Löhne, aber Röttgen spricht dann doch über "Die Krise".

"Die Krise", das fasse die Lage im Land gut zusammen. Dramatisch. Röttgen ringt sekundenlang nach Worten, es muss jetzt etwas Bedeutungsschweres kommen, er beugt sich vor, beschwört mit beiden Händen das blaue Pult mit dem goldenen Hafen-Klub-Symbol, und presst Sätze hervor wie: "Wenn es zum Zusammenbruch der Banken kommt, besteht die Gefahr, dass sie in ihrem Sog alles mit sich ziehen." Das muss natürlich verhindert werden. Daher helfe der Staat den großen Banken, nicht aber Opel und Arcandor, die sind nicht systemrelevant. Die 60 Parteifreunde in Raum Elbe 1 nicken, andächtig geradezu.

Der Himmel über den Landungsbrücken verfinstert sich, drei ältere Herren fördern die Konzentration durch Augenschließen, vielleicht ahnen sie, dass Röttgen noch düsterer kann. "Das Ziel ist die Erhaltung der Märkte im Allgemeininteresse, um die Bürger vor den Folgen eines Zusammenbruchs zu schützen." Denn: "Die Kapitalmärkte haben für die Wirtschaft die Funktion, die der Blutkreislauf für den Menschen hat. Wenn der Blutkreislauf zusammenbricht, ist der Mensch tot." Lebensbedrohlich, diese Krise.

Es nieselt, Wassertropfen rinnen die getönten Panoramafenster herunter. Und der große Pott in Dock 17 hat auch schon bessere Zeiten gesehen. Was ist denn nun mit den besten Jahren, wann kommen die? Wann, das weiß Norbert Röttgen auch nicht. Aber wie: mit sozialer Marktwirtschaft. Dafür stehe, das ist die überraschende Botschaft des Abends, nicht die SPD ("Der Sozialismus ist gescheitert") und auch nicht die FDP ("zu marktgläubig"), sondern die CDU. "Das ist die Mitte!" Na bitte.