Mandip C. überfuhr die Freundin seines Wehrführers und überlebte selbst nur knapp - jetzt steht er vor Gericht.

Hamburg. Manchmal sind es die kleinen, scheinbar bedeutungslosen Entscheidungen, die unser Schicksal bestimmen. Unwiderruflich. Endgültig. Bei Lena T. war es die Entscheidung, nach der Feier eines Junggesellenabschieds noch ein wenig frische Luft zu schnappen und ein Stück zu Fuß nach Hause zu gehen. Sie wollte sich auch nicht vor ihrer Tür absetzen lassen. Diese Entscheidung bedeutete für die 26-Jährige letztlich ihren Tod. Auf dem Weg zu ihrer Wohnung wurde sie von einem Auto erfasst, das mit dem Opfer auf der Motorhaube noch gegen einen Baum raste. Die junge Frau hatte keine Chance. Ein furchtbares Schicksal.

Ein Schicksal, das auch strafrechtlich aufgearbeitet werden muss - ein Fall für das Amtsgericht. Vor dem muss sich seit gestern Unfallfahrer Mandip C. verantworten. Laut Anklage ist der 19-Jährige am 30. März 2008 mit Tempo 75 auf dem Billwerder Billdeich unterwegs gewesen, erlaubt ist Tempo 50. Auf fahrlässige Tötung lautet die Anklage - ein Delikt, für das das Gesetz eine Geldstrafe oder Haft bis zu fünf Jahren vorsieht. "Es gibt Fälle, die jeden unbefriedigt zurücklassen", sagt der Amtsrichter zum Auftakt des Prozesses. "Hier haben wir so einen Fall, den die Justiz nicht handhaben kann. Es ist ein Mensch zu Tode gekommen. Wir werden ihn nicht ersetzen können. Jeder ist unersetzlich und einzigartig. Da stößt die irdische Justiz an ihre Grenzen."

Mancip T. ist anzusehen, dass er unter dem Geschehnis leidet. Ein ernster junger Mann, der in die freiwillige Feuerwehr eingetreten war, um zu helfen und Leben zu retten. Und der jetzt damit leben muss, einen Menschen getötet zu haben. "Es tut mir unheimlich leid", sagt der 19-Jährige mit belegter Stimme. "Nachts wache ich auf, ich habe Albträume. Es macht mich fertig, dass ich jemandem das Leben genommen habe." Er selbst brach sich bei dem Unfall auch mehrere Halswirbel. "Die Ärzte sagen, es ist ein Wunder, dass ich überlebt habe. Und es ist ein Wunder, dass ich nicht querschnittsgelähmt bin." Bei der Wucht des Aufpralls hat Mandip C. in der Tat Glück gehabt. Der Unfallfahrer, der erst 25 Tage vor dem Unglück die Fahrerlaubnis bekommen hatte, ohne Begleitung ein Auto zu steuern, sei mit Tempo 75 unterwegs gewesen, sagt ein Gutachter - auch in einer S-Kurve. "Da ist der Wagen für einen ungeübten Fahrer nicht mehr beherrschbar", so der Sachverständige. Mandip C.s Fahrzeug war nach links ausgebrochen.

An den Unfall selber habe er wegen seiner eigenen schweren Verletzungen kaum Erinnerungen, sagt der Angeklagte. "Ich spüre, ich fahre. Ich spüre Glassplitter. Ich erinnere Felgen auf dem Kantstein. Und der Geruch vom Airbag geht mir nicht aus dem Kopf." Es sind diese Details, die sich in seinem Gehirn festgebrannt haben. Aber da ist keine Erinnerung, wie er die junge Frau erfasst hat. Eine Frau, die er zumindest vom Sehen gekannt hatte. Sie war die Lebensgefährtin seines Wehrführers bei der freiwilligen Feuerwehr. Der Mann, der jetzt im Prozess als Zeuge gehört wird.

Von einem Junggesellenabschied sei er in jener Nacht nach Hause gekommen, erzählt Stefan K. "Da wartete schon die Polizei vor der Tür", um ihm mitzuteilen, dass seine Lebensgefährtin verstorben ist. "Was hat sich an Ihrem Leben geändert?", will der Amtsrichter von dem 39-Jährigen wissen. "Alles", antwortet der Bauingenieur. Zuerst sei er "wie in Trance" gewesen. Von der Freiwilligen Feuerwehr habe er sich als Wehrführer beurlauben lassen. Sein Beruf sei das einzig Konstante, was ihm geblieben sei. "Wissen Sie, Lena war die Frau meines Lebens. Wir hatten Pläne." Und jetzt seien die Pläne über den Haufen geworfen. "Von einer Sekunde auf die andere." Der Prozess wird fortgesetzt.