Dieter Bruhn ist ein Hamburger Original, ein Verkäufer mit Leib und Seele. Seit 50 Jahren steht er auf dem Fischmarkt.

Hamburg. Einer wie Aale-Dieter wirkt im blau-weiß gestreiften Fischerhemd und Elbsegler genauso authentisch wie im Nadelstreifen-Blazer und Jeans mit nass gekämmten Haaren. Und ob er nun lauthals in die Menge ruft: "Aale, Aale, Aale ... Hier gibt's die besten Aale!" oder mit kräftigem Tenor eine italienische Arie anstimmt - Aale-Dieter, mit bürgerlichem Namen Dieter Bruhn (70), ist und bleibt ein Hamburger Original. In diesem Monat feiert er sein 50. Dienstjubiläum. Seit 50 Jahren steht der gelernte Maschinenbauer und Fahrstuhlmonteur aus Hamm jeden Sonntagmorgen auf dem Hamburger Fischmarkt. Gleich neben der Fischauktionshalle. Dort verkauft er seine berühmten geräucherten Ostsee-Aale - 400 Gramm, Marke Spitzenqualität, kosten rund zwölf Euro. Aber auch Kodiak-Wildlachs, Forellen- und Lachs-Filets hat er im Angebot.

"Ich bin aber nicht so'n Brüller, also kein Marktschreier. Ich bin Verkäufer, und zwar mit Leib und Seele. Ich erfasse sofort die Stimmung im Publikum, und dann geht es nur darum, schnell zu verkaufen und dabei ordentlich zu unterhalten", erzählt der Vater zweier Töchter und Großvater von drei Enkelkindern. Seit 45 Jahren ist er mit seiner Karin (67) verheiratet, wohnt mit ihr in Eppendorf.

"Wir sind alle keine Quiddjes, nöö. Mein Urgroßvater, mein Großvater, mein Vater und ich sind alle aus Hamm. Da oben auf'm Hammer Berg bin ich aufgewachsen, und Hamburg mit seinem Wasser ist meine Stadt", sagt Aale-Dieter nicht ohne Stolz. Kollegen und Freunde schätzen ihn als bodenständigen Mann, der zwar einen BMW fährt und Golduhr trägt, aber trotz seines wirtschaftlichen Erfolgs auf dem Teppich geblieben ist.

Jeder kennt ihn auf dem Fischmarkt, grüßt ihn schon aus der Ferne. Ob der Parkplatzwächter an seiner Parkbude oder die Bedienung in der Hafenkantine oder Elbperle.

"Heute sind 60 Prozent der Fischmarktbesucher Touristen. Und die Stimmung ist natürlich viel ruhiger geworden. Früher war es hier härter, und es gab jeden Sonntag einen mit nem blauen Auge - heute ist höchstens mal einer betrunken", erzählt Aale-Dieter. Wenn er sonntags ab 4 Uhr mit seinem weißen Anhänger übers Kopfsteinpflaster auf seinen Stellplatz rollt, ist er einer der Ersten. Ab 6 Uhr wird's dann voll am Elbufer, und kurz darauf setzt das Verkaufsgeschrei ein. "Ich bin nie heiser. Auch nicht im Winter. Meine Stimme ist immer gleich kräftig, weil ich sie seit Jahren trainiere", sagt Aale-Dieter.

Vor 35 Jahren machte der leidenschaftliche Hobbysänger eine Gesangsausbildung beim Staatsopern-Tenor Horst Wilhelm. Für die NDR-Fernseh-Reportagereihe "Typisch!" (Donnerstag, 18. Juni, 18.15 Uhr) kehrte Dieter Bruhn jetzt noch mal auf die Staatsopernbühne zurück, sang für das NDR-Team und die Bühnenarbeiter ein lyrisches Ständchen.

"Gesang war immer meine große Liebe. Ich hatte nur keinen Spaß am Klavierspiel, und so habe ich mich für den Verkäuferjob entschieden", sagt er. Zum Fischmarkt kam Dieter Bruhn dann über Aale-Wilhelm, einen Freund seines Vaters. Der suchte in den 1950er-Jahren einen Fahrer und später auch einen Mitverkäufer. "Erst zogen wir über alle deutschen Wochenmärkte. Für mich war es ein lukrativer Aushilfsjob. Nach zehn Jahren machte ich mich selbstständig und wurde sogar unter den zehn deutschen Top-Verkäufern im ,Manager Magazin' genannt", sagt er und strahlt.

Kein Wunder also, dass ihn seit Langem Unternehmen wie die Parfümerie Douglas oder die Baumarktkette Max Bahr für ihre Mitarbeiter-Schulungen als externen Verkaufsberater buchen. "Man muss die Leute richtig anschnacken, ein bisschen mit ihnen rumspielen. Unterhaltung gehört beim Verkauf eben dazu, anscheeten is nich mein Ding", sagt Aale-Dieter.

Und weil er noch mindestens zehn Jahre mit dem Verkaufen weitermachen will, geht er zweimal die Woche zum Gewichte-stemmen ins Fitnesscenter. "Früher bin ich viel Sulky gefahren, das Traben war mein Ausgleich zum Fischmarkt. Heute habe ich nur noch Pferde zum Züchten. Und zur Erholung fahre ich mit meiner Karin nach Madeira", sagt er. Denn einer wie Aale-Dieter kann auch im Urlaub nicht aufs Wasser verzichten.