Unternehmen sollen mit falschen Angaben an EU-Subventionen gelangt sein und Steuern hinterzogen haben.

Das Aufgebot war riesig. 270 Beamte der Zollfahndung, der Polizei und sieben Staatsanwälte waren ausgerückt, um bei Razzien im gesamten Bundesgebiet Beweise in einem nahezu beispiellosen Betrugsverdachtsfall zu sichern. Im Fokus der Ermittler standen Fabriken und Unternehmen, die Zucker herstellen und vertreiben. Sechs Geschäftsführer und leitende Angestellte dieser Firmen sollen zu Unrecht Subventionen erhalten und Steuern hinterzogen haben. Deren Büros und Wohnungen wurden durchsucht. Insgesamt waren es 35 Objekte, allein in Hamburg zehn. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft beträgt der Schaden 370 Millionen Euro. Sie ermittelt unter anderem gegen das Hamburger Argrarhandelshaus August Töpfer & Co.

"Wir ermitteln wegen des Verdachts des Subventionsbetrugs, Urkundenfälschung und Steuerhinterziehung", bestätigt Wilhelm Möllers, Sprecher der Staatsanwaltschaft, dem Abendblatt auf Anfrage. Die Verantwortlichen der verdächtigen Firmen sollen die Summe von 370 Millionen Euro in den Jahren 2000 bis 2006 unrechtmäßig von der EU für den Export von Zucker erhalten haben. Laut Möllers besteht der Verdacht, dass für die süße Ware fingierte Ausfuhranmeldungen ausgestellt worden sind. Einer der Umschlagsplätze ist der Freihafen. Dort soll der Zucker gelagert, verpackt und ausgeliefert worden sein. Als Hauptverdächtige gelten vier Zuckerhändler im Alter von 44 bis 53 Jahren aus Hamburg und Umgebung.

Und so soll der Betrug gelaufen sein: In einem Silo im Freihafen soll Zucker aus Nicht-EU-Ländern, also Drittländern, mit EU-Zucker gemischt worden sein. "Zucker sieht immer gleich aus", erklärt ein Ermittler. "Da kann man nicht erkennen, woher er stammt." Auf diese Weise wurde das bereits eingeführte Nahrungsmittel erneut ausgeführt. Für diesen Export vergibt die EU sogenannte Ausfuhrerstattungen. Im Ermittlungszeitraum betrugen diese 25 bis 50 Euro pro 100 Kilogramm.

Die Händler stehen weiter im Verdacht, keine Abgaben für Zucker aus Überproduktionen gezahlt zu haben. Diese Art Strafgebühr wird fällig, um die Preise stabil zu halten. Sie beträgt etwa 45 Euro pro 100 Kilogramm. Außerdem sollen sie bei der Einfuhr Steuern hinterzogen haben. Auf den Verdacht kamen die Ermittler nach einem Prüfbericht des Hauptzollamts Kiel, bei dem Unregelmäßigkeiten in den Belegen festgestellt worden waren. "In den Papieren sind größere Mengen angegeben worden, als eigentlich durch das Silo laufen konnte", sagt Zollfahndungssprecher Dietmar Schulze.

Das im Verdacht stehende Unternehmen August Töpfer & Co. bestreitet über seinen Anwalt Dr. Klaus Landry die Vorwürfe. "Sie sind nicht gerechtfertigt." Die Vorgänge seien von der Finanzverwaltung und vom Finanzministerium geprüft worden. "Als Ergebnis ist im April 2008 festgestellt worden, dass die Subventionen nicht zurückzufordern sind. Sie sind also zu Recht gewährt worden." Die Ermittlungen im aktuellen Fall laufen allerdings erst seit Juni 2008. Das Unternehmen hat laut Greenpeace allein in den Jahren 2003 bis 2005 mehr als 115 Millionen Euro an Subventionen für den Export erhalten. Diese Summe ergibt sich aus einem Bericht, den die Umweltschutzorganisation beim Finanzministerium angefordert hatte. Die Strafe für Subventionsbetrug beträgt im Extremfall bis zu zehn Jahren Haft.