Kommende Woche werden 26.000 Kinder in Hamburg nicht zur Kita gehen können. Die Gewerkschaften Ver.di und GEW haben ihre Mitglieder zum Streik aufgerufen.

Hamburg. In 246 Hamburger Kindertagesstätten wird in der kommenden Woche voraussichtlich gestreikt. Nach Informationen des Abendblatts haben die Gewerkschaften Ver.di und GEW ihre Mitglieder in Hamburg für Dienstag und Mittwoch zur Niederlegung ihrer Arbeit aufgerufen. Heute soll der Aufruf veröffentlicht werden. Betroffen davon wären etwa 26 000 Kinder - das sind knapp die Hälfte aller Kita-Kinder in der Hansestadt. Grund für den Streik ist das Scheitern der Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und dem kommunalen Arbeitgeberverband in Berlin. Am Mittwoch waren die Verhandlungen zunächst abgebrochen worden. Warnstreiks hatte es schon in dieser Woche bundesweit gegeben. "Das Angebot war einfach zu schwach", sagt der Hamburger GEW-Vizechef Jens Kastner.

Das Personalamt der Stadt will den angekündigten Streik indes juristisch verhindern und hat externe Juristen mit der Prüfung einer Klage beauftragt. "Ich habe erhebliche Zweifel, ob der Streik rechtlich in Ordnung ist", sagt Staatsrat Volkmar Schön (CDU). Zumal das Arbeitsgericht Kiel bereits den Streik in kommunalen Kindergärten in Kiel und Plön untersagt habe.

Tatsächlich ist juristisch umstritten, ob überhaupt gestreikt werden darf. Weil der Tarifvertrag nicht gekündigt ist und noch verhandelt wird, gilt eigentlich die sogenannte Friedenspflicht. Die Gewerkschaften fordern allerdings eine Verbesserung des Gesundheitsschutzes (vor allem besseren Lärmschutz), der in einem parallelen Vertrag geregelt werden soll. Staatsrat Schön sieht darin aber "nur ein vorgeschobenes Argument" Denn in Wahrheit gehe es um mehr Geld. Schön: "Der Knaller ist auch, dass es in Hamburg selbst bisher noch keine direkten Verhandlungen gegeben hat - und trotzdem gestreikt wird."

Das Abendblatt beantwortet dazu die wichtigsten Fragen:

Welche Kitas wären bei einem Streik betroffen?

In Hamburg sind nur die Kitas betroffen, die bisher auch dem von Hamburg übernommenen Tarifvertrag des kommunalen Arbeitgeberverbandes unterliegen: Das ist die Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten (172 Kitas), der Hamburger Schulverein (45 Kitas), die Rudolf-Ballin-Stiftung (14 Kitas), der ASB (zwölf Kitas) und das Studierendenwerk (drei Kitas). Insgesamt gibt es in Hamburg etwa 940 Kitas.

Bleiben alle bestreikten 246 Kitas komplett zu?

Davon dürfte kaum auszugehen sein. Nur etwa 30 Prozent der Erzieher sind Gewerkschaftsmitglieder. Bei den Warnstreiks waren in Hamburg 80 Kitas geschlossen. Möglich sind zudem Notdienst-Vereinbarungen. Bei der Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten wurde gestern noch über einen Notdienst-Plan beraten. Am besten ruft man seine Kita direkt an.

Dürfen Eltern beim Streik ihrer Arbeit fernbleiben?

Grundsätzlich sind Eltern verpflichtet, bei einem angekündigten Streik für eine andere Betreuung ihrer Kinder zu sorgen, sagt der Hamburger Arbeitsrechtspezialist Burkhard Fabritius (37) von der Sozietät Esche Schümann Commichau. Alternativ müssten sie versuchen, Urlaub zu nehmen. Grundsätzlich gelte: "Ohne Arbeit kein Lohn." Es gebe aber eine Ausnahme, wenn der Streik sehr kurzfristig, quasi von heute auf morgen, angekündigt werde. Dann könne man sich auf höhere Gewalt berufen, wozu es eine spezielle Vorschrift im BGB (§616) gebe. Für "ein, zwei Tage" kann man dann der Arbeit ohne Gehaltseinbußen fernbleiben, so Fabritius, der selbst Vater von zwei kleinen Kindern ist, die in einer Kita untergebracht sind. Allerdings könne in Arbeits- oder Tarifverträgen eine solche Ausnahme auch explizit ausgeschlossen sein. Fabritius: "Am besten reden Arbeitnehmer und Arbeitgeber miteinander, um eine Lösung zu finden."

Können Eltern Beiträge zurückfordern?

Arbeitsrechtler Fabritius sieht den Ausfall von Betreuung als eine Angelegenheit des Vertragsrechts. Schadenersatz setze danach Verschulden voraus. Bei einem Streik seien Kitas für einen Betreuungsausfall insofern verantwortlich, weil sie nicht für einen Ersatz gesorgt haben.

Worum geht es bei diesem Streik noch?
Hintergrund ist die Tarifreform für den öffentlichen Dienst von 2005. Dabei wurde eine Gehaltsstruktur vereinbart, bei der Staatsbeschäftigte nicht mehr nach Kriterien wie Familienstand oder Alter bezahlt werden, sondern nach Gehaltsgruppen und Erfahrungsstufen. Der Teil über die genaue Eingruppierung fehlt aber noch, darüber wird derzeit zunächst im Erziehungs- und Sozialbereich für eine bundesweite Regelung verhandelt. Der geforderte zusätzliche Gesundheitstarifvertrag hätte auf die Eingruppierung in Gehaltsstufen eine Auswirkung, würde durch ihn eine besondere Gesundheitsbelastung als Grund für eine höhere Gehaltsstufe von Kita-Mitarbeitern festgeschrieben.

Was verdient eine Erzieherin oder ein Erzieher?

Das neue Tarifrecht hat aus Sicht der GEW vor allem Nachteile für Erzieherinnen, die nach 2005 angefangen haben. Sie hätten früher nach mehreren Berufsjahren ein Bruttogehalt von bis zu 3200 Euro (Anfangsgehalt: 1900 Euro) erreichen können, heute sei bei 2400 Euro die Endstufe erreicht.