Ja, an einen Anruf in der Redaktion des Guinnessbuchs der Rekorde hätten sie auch schon gedacht, sagt Axel Gotsche (47).

Er ist der Chef des Fallschirm-Demo-Teams Nord aus Neustadt Glewe, das in ganz Norddeutschland Demonstrationssprünge zeigt. Dass ein Fallschirm-Zielspringer mehr als 30 Kilometer abseits des angepeilten Landepunktes niedergeht - das sei bestimmt rekordverdächtig, bekennt Gotsche. Zwei seiner Springer ist das am Freitag beim Hafengeburtstags-Zielspringen passiert (wir berichteten): Statt auf einem Ponton vor den Landungsbrücken landeten sie in Trittau und Barsbüttel. Sie waren genau bei Einsetzen des heftigen Sturms in 800 Meter Höhe aus dem Helikopter in den freien Fall gegangen.

Zielspringer wie die Mitglieder des Demo-Teams sind - bei gewöhnlichem Wetter - in der Lage, ihren Landepunkt bis auf wenige Zentimeter zu bestimmen. Nicht so am Freitag. "Die beiden sind aus dem Helikopter gestiegen und sofort weggeweht worden", sagt Gotsche. Sein Team habe sich geeinigt, nicht bekannt zu geben, welche zwei der fünf Springer die betroffenen waren. Gotsche: "Der Erste, der rausging, landete in der Elbe, Springer zwei und drei hat es abgetrieben. Die restlichen beiden haben das gesehen, sind natürlich im Helikopter geblieben." Verletzt hat sich niemand, trotz des fast unkontrollierbaren Irrflugs. Gotsche: "Natürlich waren die beiden ganz schön fertig nach dem Trip. Aber der Kollege, der bis nach Trittau geweht ist, sagte auch, es sei spektakulär gewesen, einmal die ganze Stadt zu überfliegen." Die Springer wurden rückwärts, quasi ihrem Fallschirm hinterher, gezogen. Während ihres jeweils etwa 23 Minuten langen Fluges mussten sie konstant an den Steuerungsleinen arbeiten. Zeitweise erreichten sie 1000 Meter Flughöhe. "Jeder Versuch, durch Kreiselflug Höhe abzubauen, scheiterte an den heftigen Aufwinden", sagt Gotsche. Beide landeten auf einem Acker. "Natürlich waren sie in Gefahr", sagt Gotsche. Wenn ein Windrad oder eine Stromleitung in die Quere gekommen wäre, hätte das auch schlimm ausgehen können."

Vor jedem Sprung, so schildert Gotsche, der selbst schon 1028 Sprünge absolviert hat, berät sich das Team, ob man "aussteigen" wolle. Am Freitag sei das nahende Unwetter sichtbar gewesen. Doch niemand habe damit gerechnet, dass es so schnell da sein werde. Gotsche: "Mann muss immer abwägen: Einerseits will man das Publikum nicht enttäuschen. Andererseits sind wir immer extrem auf Sicherheit bedacht. Wir sind ja nicht lebensmüde." Auch am Freitag hatte sein Team sich pflichtgemäß die Freigabe bei der Deutschen Flugsicherung in Bremen geholt. Doch die kontrolliert nur, ob der Luftraum frei ist. Für die Einschätzung der Wetterrisiken sind die Springer verantwortlich.

Eine Vorhersage und meteorologische Daten hatte sich das Team routinemäßig besorgt. Die Vehemenz des Unwetters hatte allerdings auch die Wetterexperten überrascht. Gotsche hat mit beiden Verwehten gesprochen. Er ist sicher: "Sie und ich werden erst in ein paar Tagen realisieren, was da passiert ist. Und wir werden noch unseren Enkeln davon erzählen. Das ist mal sicher." Bis dahin sprangen und springen die Mitglieder des Demo-Teams weiter: Am Sonntag landeten zwei der fünf Springer mitten auf dem Zielponton, drei knapp daneben im Elbwasser.