HAMBURG(ER): GESCHICHTEN

Ein Kino-Pionier namens Knopf

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Dierk Strothmann

Als der ehemalige Schmied Eberhard Knopf auf seinem Weg von Bergedorf über St.Georg nach St.Pauli in einem Automatenhaus auf dem Spielbudenplatz landete und sein "Theater lebender Photographien" eröffnete, da hatte das neue Medium eigentlich schon seinen Reiz verloren. Die Leute hatten es satt, immer wieder dieselben Pferderennen zu sehen, und sie wollten nicht noch mehr boxende Kängurus. Unbeirrt hatte sich Knopf jedoch in den Kopf gesetzt, ein "Lichtspielhaus" zu gründen.

Ob "Knopf's Lichtspielhaus" wirklich das erste echte Kino Europas oder gar der Welt war, ist auch nach mehr als einem Jahrhundert nicht eindeutig geklärt, fest steht aber, dass Knopf am 22. Feb-ruar 1901 einen Film zeigte. Besorgte Nachbarn hatten die Polizei geholt, und ein eifriger Beamter notierte später diesen Termin in sein Protokoll und hielt außerdem amtlich fest, dass in dem Raum, in dem eigentlich 300 Menschen Platz hatten, nur 30 anwesend waren. So richtig brummte der Laden am Anfang offenbar nicht. Aber Eberhard Knopf war damit zweifelsfrei einer der ersten, der eine Leinwand aufhängte, auf der die schon zitierten lebenden Bilder liefen. Eine Leinwand übrigens, die mitten im Raum hing und die in der Pause hochgezogen wurde. Da man die Filme von beiden Seiten sehen konnte, zahlte das Publikum, das die Filme spiegelverkehrt sehen musste, weniger als die eigentlich üblichen 30 Pfennig.

Ein Kino mit Biertischen

Ein richtiges Kino war das Automatenhaus eigentlich nicht, das machte Knopf erst im Oktober 1906 nebenan im Nachbarhaus Spielbudenplatz 19 auf, in jenem Laden, in dem schon Carl Hagenbeck seine "Handelsmenagerie" betrieben hatte und wo noch lange nach der Eröffnung des Knopf'schen Kinos im 1. Stock Straußenfedern verkauft wurden. In Knopf's Lichtspielhaus gab es weder harte Klappstuhlreihen noch Plüschsessel, man saß zunächst an Biertischen wie im Münchner Hofbräuhaus, später dann in einer Reihe und ließ sich von einem der vier Ober ein Rundstück warm bringen. Oder man holte sich vom Tresen das damals übliche Hamburger Kneipengetränk, ein Lütt un Lütt (kleines Bier und Schnaps). Rauchen durfte man übrigens unein-geschränkt, "Havanna" oder Pfeife, da war man nicht zimperlich. Gemütlich war's, und bald hieß es immer öfter: "Wir treffen uns bei Knopf's."

1922 wurde aus dem alten Saal mit 600 Plätzen ein Großkino für 1100 Zuschauer, dann kam der Krieg und irgendwann auch das Ende für Knopf's Lichtspielhaus. Erst Veranstaltungsguru Bruno Koschmider versuchte Mitte der 70er-Jahre, das Haus wiederzubeleben, indem er verhinderte, dass in dem zum Eros-Cine-Center verkommenen historischen Kinosaal weiter Schmuddelfilme gezeigt wurden. Er versuchte es mit einer Kombination aus Kino und Variete mit Zauberkünstlern und Akrobaten inklusive Live-Piano wie zu Knopfs Zeiten und nannte es erst Hollywood, dann Allotria - alles mit enttäuschendem Erfolg.

1985 wurde der Laden geschlossen - um als Knopf's Konzerthalle 1986 und schließlich als Docks mit der inzwischen legendären Prinzenbar wieder aufzuerstehen. Knopf's Lichtspielhaus gibt es also heute noch. Anders als vor 100 Jahren, aber immerhin...

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