Bis in den späten Abend beschäftigte sich die Bürgerschaft gestern mit dem Streit um die Stresemannstraße. Im Verkehrsausschuss stellten sich zehn Experten den Fragen der Abgeordneten. Verluste von rund zehn Millionen Euro pro Jahr hätte die Wirtschaft durch die früheren Dauerstaus auf der Stresemannstraße erlitten, schätzte Frank Wylezol vom Verband für Straßengüterverkehr. Die Stresemannstraße sei die zentrale Strecke für Gefahrguttransporte, die nicht durch den Elbtunnel gefahren werden dürften. "Solange es die Hafenquerspange nicht gibt, bleibt die Stresemannstraße die wichtigste Ost-West-Verbindung", betonte auch Christine Beine von der Handelskammer. Arno Reglitzky vom ADAC wies darauf hin, dass der Verkehr seit der Wiedereinführung der Vierspurigkeit auf der Stresemannstraße weitaus besser fließe. Ingenieur Michael Großmann bezweifelte allerdings, dass dies so bleiben werde. Wenn sich der Verkehr wieder auf mehr als 40 000 tägliche Durchfahrten erhöhe, werde es trotz der Vierspurigkeit wieder mehr Staus geben. "Das ist ein Nullsummenspiel", so Großmann. "Denn ausschlaggebend ist nicht, ob auf 700 Meter vierspurig gefahren wird. Ausschlaggebend ist, wie der Verkehr an den Kreuzungen davor und danach fließt." Die Bürgerinitiative Stresemannstraße geht unterdessen unbeirrt davon aus, dass es in der Sache noch zu einem Bürgerentscheid kommen wird. Vor dem Verwaltungsgericht haben die drei Vertrauensleute der Initiative - Christl Röhl, Sigrid Lemke und Martin Schmidt - zusammen mit dem Initiativen-Anwalt Michael Günther eine Klage gegen das Bezirksamt Altona eingereicht. "Die Bezirksversammlung muss abgestraft werden", sagte Günther. Wenn die Methoden des Gremiums Schule machten, stünde es schlecht um alle Bürgerbegehren. "Mit solchen Tricks lässt sich jedes Begehren unterwandern", sagte Günther. Zur Erinnerung: Die Altoner CDU-, Schill- und FDP-Fraktionen hatten gegen ihre politische Überzeugung für das Anliegen der Bürgerinitiative gestimmt. Der von den Anwohnern der Stresemannstraße gewollte Bürgerentscheid war dadurch unmöglich, weil er nur bei einer Ablehnung der Bezirksversammlung hätte zu Stande kommen können. "Es ist das Wesen der Demokratie, Partikularinteressen durch Instrumente wie Bürgerbegehren zu stärken", sagte Martin Schmidt. Im Falle der Stresemannstraße sei es ganz egal, dass nur der Senat und nicht der Bezirk über den Umbau entscheide, ein eventueller Bürgerentscheid also gar keine bindende Wirkung für die Politiker habe. "Dem Senat wird es auf jeden Fall schwerer fallen, gegen die Meinung des Volkes zu entscheiden", sagt Michael Günther. Das habe der erfolgreiche Bürgerentscheid in Bergedorf über den Umbau des Bahnhofsvorplatzes gezeigt. Mit einer endgültigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechnet Günther in frühestens vier Monaten. "Wenn wir Pech haben, kann das auch zwei Jahre dauern", so der Anwalt. "Aber das wäre nicht zu spät."
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