Im Machtzentrum steht “König Olaf“. Aber eine Opposition, die dem Senat zu oft Beifall klatscht, schwächt sich am Ende selbst

Es dürfte viele Politiker geben, die neidisch nach Hamburg blicken: Denn so bequem wie im Staate Scholz regiert's sich nirgendwo. Das liegt zum einen an der absoluten Mehrheit seiner Partei, die ihm das Leben leicht macht - und zum anderen an einer Machtfülle, wie sie vor ihm kein Bürgermeister der Hansestadt besaß: Olaf Scholz bestimmt die Richtlinien im Rathaus - und als Parteichef die sozialdemokratische Politik. Die SPD, nach einem unseligen Jahrzehnt in der Opposition mit Grabenkämpfen, Zerwürfnissen und kriminellen Machenschaften noch immer traumatisiert, folgt brav - zumindest noch.

Das lässt erahnen, warum derzeit so gern das Bild von "König Olaf" gemalt wird. Es ist zwar schief, aber nicht grundfalsch: Scholz inszeniert sich als Mittelpunkt der Macht; nach Herausforderern sucht man vergeblich. Eine starke Opposition drängt sich dem flüchtigen Beobachter kaum auf. Das liegt zuallererst am Wahlergebnis von 2011: In keinem deutschen Länderparlament regiert eine absolute Mehrheit. Und - noch wichtiger - in keinem opponieren gleich vier Parteien: Zu jedem Thema drängen CDU, FDP, Grüne und Linke nach Aufmerksamkeit - und gehen schnell unter, weil sie entweder die gleiche Kritik üben oder sich gegenseitig widersprechen. Natürlich gelingt es der Opposition immer wieder zu punkten, aber diese Punkte verteilen sich eben auf vier Parteien.

Besonders schwierig ist die Situation für die CDU. Sie hatte skurrilerweise schon zu Zeiten von Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) in den Oppositionsmodus geschaltet und sich von der eigenen schwarz-grünen Politik abgesetzt. Doch die Regierungszeit von 2001 bis 2011 ist noch zu frisch, als dass sich die Union aus der Verantwortung stehlen könnte. Das gilt besonders für den Fraktionschef Dietrich Wersich, der immerhin drei Jahre Senator war.

Die Fundamentalopposition muss er auf der einen Seite der FDP, auf der anderen GAL und Linke überlassen. Sie können kraftvoller kritisieren, polemischer pöbeln und ungenierter fordern. Seriosität kann ein Fluch sein. Und weil Scholz die Mitte okkupiert hat, bleibt für die Union nur wenig Platz übrig: Sie ähnelt derzeit einer Partei ohne Spielraum. Kaum besser geht es den drei kleinen Parteien. Die FDP wird von allen anderen Parteien ausgegrenzt, wenn sie (wirtschafts-)liberale Positionen vertritt. Als etwa Katja Suding gegen den Einstieg der Stadt bei Hapag-Lloyd argumentierte, war die Bürgerschaft fast so empört, als hätte sie die Ehrenbürgerwürde für Syriens Machthaber Assad gefordert. Links der SPD - ein durchaus weiter Raum - ringen GAL und Linke um die Deutungshoheit.

Vielleicht liegt es an dieser unerquicklichen Ausgangsposition, dass die Vier-Parteien-Opposition nun immer häufiger den Schulterschluss mit der Regierung sucht - eine Art Hamburger Einheitsliste. Erst in dieser Woche haben alle Parteien und der so unterschätzte wie mächtige Verein Mehr Demokratie ein "Transparenzgesetz" auf den Weg gebracht. Damit soll Hamburg zur gläsernen Stadt werden - was offenbar alle richtig prima finden, denn in der Bürgerschaft stimmten alle dafür. Komisch mag man diesen Kniefall vor den Piraten trotzdem finden, schließlich galt der "gläserne Bürger" allen als Schreckgespenst.

Auch in anderen Fragen schwimmen die Fraktionen von SPD, CDU, GAL, FDP und Linke auf einer Welle. Wiederum mit dem unterschätzten wie mächtigen Verein Mehr Demokratie einigte man sich erst über Bürgerbegehren auf Bezirksebene und dann über die Weiterentwicklung der Volksbegehren auf Landesebene. Gegen Mehr Demokratie, der für mehr Bürgerbeteiligung und Volksentscheide kämpft, fühlt sich die Parteiendemokratie offenbar machtlos. Kaum droht ein Volksbegehren des Vereins, machen sich die Parteinen das Geforderte zu eigen. Ob diese Form des großen Bündnisses allerdings wirklich mehr Demokratie bringt, darf nicht nur bezweifelt werden - es muss bezweifelt werden.

Dass auch alle Fraktionen zur Demonstration "Hamburg ist bunt" aufgerufen haben, sei nur am Rande erwähnt. Einigkeit über die Parteigrenzen hinweg ist eine schöne Ausnahmeentscheidung. Aber sie sollte eine Ausnahmeentscheidung bleiben. Eine Opposition, die zu oft dem Senat Beifall klatscht, schwächt sich selbst. Alle Entscheidungen erfordern Kritik, Gegenentwürfe, den Widerstreit der Ideen. Es sei daran erinnert, was aus dem gemeinsamen überparteilichen Vorgehen der letzten Bürgerschaft wurde: Damals einigten sich CDU, SPD, GAL und Linke einstimmig auf die Schulreform - die Hamburger schmetterten sie in einem Volksentscheid ab.

Matthias Iken beleuchtet in der Kolumne "Hamburger KRITiken" jeden Montag Hamburg und die Welt