350 Experten treffen sich heute beim Konvent der Baukultur in Hamburg. Ziel ist es, den Verkehr in der City zu dämpfen, mehr Luft zu schaffen.

Altstadt. Der Fußgängerweg rechts der Steinstraße ist eindeutig zu schmal. Es mögen gut 200 Menschen sein, die sich da an der Ecke zur Springeltwiete drängen. Der Verkehr auf der vierspurigen Straße rollt bedrohlich nah vorüber. Als ein Radfahrer sich der Menschengruppe nähert, ist eines klar: Er muss absteigen.

Verkehr in Hamburg gleicht häufig einem Nahkampf. Radfahrer gegen Fußgänger, Busse gegen Autofahrer. Es scheint manchmal, als kämpfte jeder gegen jeden. Der Hamburger Stadtentwickler Uwe A. Carstensen spricht davon, dass im Straßenverkehr immer häufiger die Regeln des Anstands verloren gehen würden.

Die Bundesstiftung Baukultur hatte gestern einen besonderen Spaziergang durch die Innenstadt organisiert. Anlass ist der Konvent 2012, zu dem sich heute 350 Architekten, Ingenieure sowie Stadt- und Landschaftsplaner am Kleinen Grasbrook treffen. Das Thema der Zusammenkunft: "Wie lässt Mobilität sich kultivieren?"

Deutschland hinke "beim Entwurf anspruchsvoll gestalteter Verkehrsinfrastrukturen hinterher", sagt Stiftungschef Michael Braum zum Start des Spaziergangs. "Der öffentliche Raum verkommt in weiten Teilen zu einem Transportband für die Inszenierung des Automobils."

Dass gegenseitige Rücksichtnahme auf Hamburgs Straßen ein immer selteneres Gut ist, erleben die Teilnehmer des Spaziergangs an der Steinstraße. Da hilft auch wenig, dass Michael Hoyer, Verkehrsexperte aus der Wirtschaftsbehörde, berichtet, dass in Hamburg inzwischen 80 Prozent der Menschen den öffentlichen Personen- und Nahverkehr nutzen, wenn sie zu ihrem Arbeitsplatz in der Innenstadt fahren.

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Vor dem Hauptbahnhof, am Ausgang der Spitalerstraße, ein weiteres Nadelöhr. Durch kurze Ampelschaltungen sei es gelungen, sowohl den Fahrzeugverkehr auf einer Hauptstraße am fließen zu halten als auch die Interessen der vielen Fußgänger, die aus dem Hauptbahnhof in Richtung Innenstadt wollen, zu berücksichtigen, sagt Hoyer.

Die Experten sehen das kritischer. Sie plädieren für eine Entschleunigung des Verkehrs in den Städten. Es müsse für alle Verkehrsteilnehmer genügend Raum vorhanden sein, sagt Braum. Positives Beispiel dafür sei der Umbau der Kölner Ringstraßen. Die Devise müsse lauten: besser langsamer reisen, als "stop and go" zu hetzen.

Inzwischen ist der Tross die Lange Reihe in St. Georg hinaufgewandert. Fast überall auf den Fußwegen haben Restaurants und Kneipen Tische aufgestellt. Sonnenhungrige genießen ihr Frühstück, während der 6er-Bus keine zwei Meter entfernt an ihnen vorbeirauscht. Seit Jahren wird überlegt, wie die Lange Reihe verkehrsberuhigt werden kann. Sie zum "Shared Space" - eine Gemeinschaftsstraße - zu machen findet vor Ort keine Zustimmung. Eine Tempo-30-Zone, so die Wirtschaftsbehörde, löse die Probleme nicht.

Eine Lösung haben die von Künstlern des Scharlatan-Theaters gespielten Sonntagspolitessen auch nicht. Aber sie verbreiten Spaß - so immer dann, wenn Passagiere an der Langen Reihe aus dem Bus steigen und mit lautem Jubel begrüßt werden.