Warum der Transport eines Privatteppichs von Entwicklungsminister Dirk Niebel an Bord eines BND-Flugzeugs aufgeflogen ist

Natürlich gibt es auch fliegende Fische und fliegende Untertassen, aber von allem, was fliegt, sind die fliegenden Teppiche doch am schönsten. Einer, der das offenbar auch findet, ist Herr N. aus Berlin. Dieser Mann kaufte in Afghanistan einen Teppich und brachte ihn - Simsalabim! - mithilfe des BND zum Fliegen. Was einerseits die Transportkosten sparte (laut "Stern"-Recherche bei einem Stück dieser Größe "knapp 4000 Euro") und andererseits den Einfuhrzoll (laut "Spiegel"-Recherche "bis zu 1000 Euro").

Alles in allem hätte Herr N. - den angegebenen Kaufpreis von 1100 Euro eingerechnet - also auf einem 6000 Euro teuren Stück gesessen, wenn er sich an die Spielregeln gehalten hätte. Aber dann hätte sich Herr N. seinen neuen Teppich ja auch gleich am Ballindamm kaufen können!

Die Teppichgeschichte ist übrigens aufgeflogen (ha,ha ...), weil Herr N. mit seinem Teppich beim Bundesnachrichtendienst zwischen die Fronten geraten ist. Mitarbeiter, die ihrem alten Chef hinterhertrauern und dem neuen Chef alles Schlechte wünschen, sollen anonyme Briefe verschickt haben. Immerhin flog der Teppich ja an Bord der Maschine von BND-Chef Gerhard Schindler von Kabul nach Berlin. Und Schindler geriet auch prompt in Erklärungsnöte. Nein, so Schindler kategorisch, er habe dem Herrn N. keineswegs "einen persönlichen Gefallen" getan, wie der behaupte; sondern er habe geglaubt, dass es bei dem Corpus Delicti um ein Staatsgeschenk gegangen, der Transport im BND-Jet also irgendwie Amtshilfe gewesen sei.

So weit die Lage. Die Opposition ist nun der Ansicht, dass Herr N. fliegen müsste, weil es sich bei ihm um den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, handelt. "Sie fahren in eine Krisenregion, und heraus kommt dabei ein Schnäppchen!", hat eine Abgeordnete der Linkspartei dem 49-jährigen Hamburger böse zugerufen. Andere haben den Vorwurf der Vetternwirtschaft wieder ausgegraben, gegen den der FDP-Mann ankämpft, seit er das Ministerium im Oktober 2009 übernommen hat. Pawlows Hund sitzt jetzt also gewissermaßen auf dem Teppich des Ministers und bellt.

Niebel selbst, der zunächst Asche auf sein Haupt gestreut und ankündigt hatte, dass er den Teppich selbstverständlich nachverzollen und auch eine eventuelle Strafe zahlen werde, hat sich von der Rolle des reuigen Sünders - "Es war ein Fehler, und niemand ärgert sich darüber mehr als ich!" - inzwischen wieder verabschiedet. Am Donnerstag überraschte er die Hörer von Deutschlandradio Kultur mit der Mitteilung, sein Teppich sei "überhaupt nicht zollpflichtig" gewesen! Als eines der am wenigsten entwickelten Länder der Welt falle Afghanistan nämlich unter eine Sonderregelung der Europäischen Union vom Juli 2008, und die wiederum sei vor einem Jahr auf unbegrenzte Zeit verlängert worden! Dennoch, so der Minister milde, sei er selbstverständlich bereit, alle Rechtspflichten zu erledigen, etwa die Zahlung der anfallenden Einfuhrumsatzsteuer von 19 Prozent des Kaufwerts.

Der Minister verspürt also wieder Luft unter dem Teppich, Pardon, unter den Flügeln. So schnell kann's gehen in der Politik.

Aber Übermut tut selten gut, und deshalb zitieren wir an dieser Stelle die Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach, von der der Satz stammt, ein Mensch könne so rasch sinken, dass er zu fliegen meine. Noch hilfreicher ist der Rat von Friedrich Nietzsche, der die Problematik von unten anging und meinte, wer fliegen lernen wolle, müsse erst mal lernen, auf beiden Beinen zu stehen. "Man kann", so der große Philosoph, "nicht mit dem Fliegen anfangen." Recht hat er. Nicht von ungefähr kommt ja die schöne deutsche Redewendung, die uns rät, "auf dem Teppich zu bleiben".

Die Neuanschaffung des Ministers befindet sich jetzt übrigens im niebelschen Esszimmer. "Eigentlich", sagt Dirk Niebel rückblickend, "wollte ich mit dem Kauf das Kleingewerbe in Afghanistan unterstützen." Da kann man mal sehen, was aus guten Absichten werden kann.