So war's: Der Bau der Köhlbrandbrücke dauerte länger und war teurer als erwartet. Doch es entstand ein Wahrzeichen über dem Köhlbrand.

Hamburg. Wie zwei monumentale Stimmgabeln recken sich die stahlblauen Pfeiler in 135 Meter Höhe. Köhlbrandbrücken-Architekt Egon Jux sah in seiner Schöpfung allerdings "geschlossene Blüten", die der "vegetativ" aus dem Boden wachsenden Konstruktion ihre Charakteristik verleihen. In jedem Fall schmeichelt der Bau dem Auge, es gibt kaum Menschen, denen die Ästhetik der lindwurmartigen Schrägseilhängebrücke missfällt. Elegant schwingt sie sich seit 1974 auf insgesamt 3600 Metern über den Köhlbrand. 1975 wurde sie sogar zur schönsten Brücke des Kontinents gekürt. "Golden Gate von Hamburg" titelte das Abendblatt bei der Eröffnung.

Doch während die Golden Gate Bridge, das Wahrzeichen San Franciscos, seit 1937 gehegt und gepflegt wird und ein Abbruch genauso unvorstellbar ist wie Paris ohne Eiffelturm, droht der Köhlbrandbrücke genau das: der Abriss. Knapp 40 Jahre nach ihrer Eröffnung scheint das Schicksal der Stadtsilhouette prägenden Flussquerung besiegelt. In 20 Jahren soll abgerissen und neu gebaut werden, verkündete Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) jetzt. Die tägliche Beanspruchung durch 30 000 Autos und Laster haben den Bau mürbe gemacht, die Durchfahrtshöhe von knapp 55 Metern über mittlerem Niedrigwasser reicht für immer neue Superschiffe nicht mehr aus.

+++ Scholz verspricht Neubau der Köhlbrandbrücke +++

Dabei wurde vor dem Bau nicht weniger als 60 Jahre lang diskutiert: Soll man den 325 Meter breiten Köhlbrand untertunneln oder doch lieber überbrücken? Im April 1968 fällte der Senat dann die Entscheidung für den kühnen Brückenentwurf, der mit 120 Millionen Mark wesentlich günstiger sei als eine Tunnellösung. Schon 1972 sollte die neue Brücke für den Verkehr freigegeben werden. Dass der damalige Bundespräsident Walter Scheel erst zwei Jahre später die Eröffnungszeremonie mit seinem Besuch beehrte und die Kosten auf rund 160 Millionen Mark kletterten, darf aus heutiger Sicht und mit Blick auf die Elbphilharmonie als geringfügiges Ärgernis verbucht werden. Wenig begeistert waren zudem 300 Familien in Neuhof, vor deren Fenstern die Presslufthammer ratterten und die Betonmischer rotierten. Wo vorher Sonne war, entstand nun ein Monumentalbau.

Doch davon abgesehen, begeisterte die Brücke sofort. Nach der Eröffnung hatten an drei Tagen 600 000 Besucher die seltene Gelegenheit genutzt, die Brücke zu Fuß zu erkunden, bevor am 23. September 1974 das erste Auto über das neue Bindeglied zwischen Waltershof und Wilhelmsburg fuhr. Ihrem ästhetisch-technischen Perfektionismus und der im Vergleich zu Hängebrücken filigranen Schrägseilkonstruktion verdankt die Köhlbrandbrücke ihren bis heute ungebrochenen Zuspruch. Baudirektor Rudolf Schwab sprach 1974 von einem neuen Wahrzeichen des Hafens.

Inzwischen kann man sagen: Die Brücke ist ein Wahrzeichen. Insgesamt 400 Handwerker brachten ab dem Baustart am 8. Mai 1970 gut 81 000 Kubikmeter Beton und 12 700 Tonnen Stahl in die Konstruktion ein. Mehr als drei Jahre später, am 25. Oktober 1973 um Viertel nach 11 Uhr, konnte das letzte der 32 Teilstücke eingehängt und der Brückenschluss vollzogen werden. 88 armdicke Tragseile halten seitdem die 14 Meter breite Fahrbahn, die sich von Osten mit vier Prozent Steigung erhebt. Architekt Jux, im Jahr 2008 gestorben und unter anderem auch Entwickler des Elbtunnel-Südportals, strich damals ein Honorar von 115 000 Mark ein. Und im Gegensatz zu den meisten Betrachtern hielt er den Bau nicht für perfekt. Sparmaßnahmen ließen die 88 Tragseile unverkleidet. Egon Jux, Schüler von Le Corbusier, hätte sie gern wulstförmig in die Pylone münden lassen. Für noch mehr Anmut.