Um den Mord an einem türkischen Unternehmer aufzuklären, setzten Hamburger Ermittler auch einen iranischen Geisterbeschwörer ein.

Hamburg. Für die Polizei war 2008 guter Rat teuer. Sieben Jahre ermittelten die Beamten schon im Fall des ermordeten Bahrenfelder Gemüsehändlers Süleyman T., auf der Jagd nach dem entscheidenden Hinweis hatten sie mehr als 500 Spuren verfolgt. Am 27. Juni 2001 war der 31-Jährige in seinem Laden regelrecht hingerichtet worden, mit drei Schüssen in den Kopf. Heute weiß man, dass Süleyman T. sowie acht weitere Kleinunternehmer mit Migrationshintergrund in ganz Deutschland von Mitgliedern der im Vorjahr aufgeflogenen, rechtsterroristischen Zelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) ermordet wurden. Offenbar griffen die Hamburger Ermittler damals nach jedem Strohhalm, um den Fall aufzuklären. Wie "Spiegel Online" berichtet, suchte die Polizei sogar mit einem Geisterbeschwörer nach den Mördern. Das belegen alte Ermittlungsakten, die auch dem Abendblatt vorliegen.

Demnach bot ein iranischer "Metaphysiker" namens Dawoud Z., 42, den Beamten im Januar 2008 an, über ein Medium Kontakt mit dem Mordopfer aufzunehmen. Beamte der Soko "061" willigten ein und trafen sich am 18. Januar 2008 in der Lobby des Hotels Interconti mit einer Vermittlerin, einer 41 Jahre alten iranischen Unternehmensberaterin, die in den höchsten Tönen von den parapsychologischen Fähigkeiten des Mannes schwärmte. Er sei ein "Gigant unter den Metaphysikern" und könne die Polizei bei ihren Ermittlungen "entscheidend" voranbringen. Die zwei Beamten bekundeten Interesse, stellten aber klar: Für die Infos aus dem Jenseits werde man den Iraner nicht entlohnen: "weder in Form von Ticketpreisen noch Übernachtungen oder ,Bezahlungen' von Sitzungen". Behilflich war die Polizei aber offenbar bei der Visumbeschaffung. "Versuch macht klug, und verlieren können wir letztlich nichts", notierte einer der zuständigen Beamten nach dem Treffen. "Wenn wir grünes Licht für hypnotische Befragung bekommen, dann schadet es meiner Meinung nach auch nicht, wenn wir uns einmal in diesem Bereich versuchen, zumal uns keine Kosten entstehen."

+++ BKA durfte nicht ermitteln +++

Wie von Dawoud Z. gewünscht, übergaben ihm die Polizisten kurz nach seiner Ankunft in Hamburg Anfang März ein Blatt mit den Daten der neun Mordopfer, den Namen ihrer Mütter sowie zwei Fragen zur Mordserie. Am 16. April 2008 präsentierte Z.s Mittelsfrau die Ergebnisse der Seance. "Zehn bis 15 Minuten" habe der Iraner in einer in Hamburg angemieteten Wohnung über ein Medium mit dem Verstorbenen sprechen können.

Dabei habe er auch den Schützen beschrieben: "Der Täter soll einen dunklen Teint (Südländer), braune Augen und schwarze Haare haben. Er soll sehr jung sein, und es könnte sich um einen Türken handeln." Süleyman T. habe in Kontakt mit einer polizeibekannten Bande gestanden, der acht Personen mit "Motorrädern/Rockern" angehörten. Auffällig sei eine Person mit Kopftuch, ein Mitglied heiße "Armin" oder "Amin", ein weiteres "Mustafa Horgh". Der Tote verstünde "nicht, warum die Tat geschah." Es sei "eine Ungerechtigkeit geschehen". Hintergrund der Tat seien "nicht nur Drogen, sondern noch andere Sachen gewesen".

Offenbar war den Beamten klar, dass die "metaphysischen Versuche" nicht mehr waren als ein Hoffnungsschimmer. Erst ein Jahr später glichen sie die Angaben ab - der vermeintlich heiße Draht ins Jenseits entpuppte sich als tote Spur. "Damit kann ich leider gar nichts anfangen (wobei alleine ,Armin' in der Datenbank Crime zu 153 Treffern führt)", schrieb ein Polizist an Kollegen. "Insbesondere im Zusammenhang mit Motorradfahrern kann ich Dir in dieser Sache leider nicht weiterhelfen."

Hamburgs Polizeisprecher Mirko Streiber bestätigt, dass die Ermittler Kontakt zu dem iranischen Medium aufgenommen haben: "Sie haben das Gespräch auch gesucht, um festzustellen, ob der Mann möglicherweise über Zeugen- oder gar Täterwissen verfügt. Bei der Befragung stellte sich dann aber heraus, dass die Angaben nicht hilfreich" sein würden. Im Fall Süleyman T. hätten die Ermittler unzählige Spuren verfolgt. Sie prüften auch - in Verbindung mit Staatsschutzermittlern und Verfassungsschützern -, ob es einen rechtsradikalen Hintergrund geben könnte. Streiber: "Der Zusammenhang war aber da noch nicht zu erkennen."