Am Tag der deutschen Kapitulation fuhren bereits wieder U-Bahn-Züge durch die Stadt. Erste Wagen waren stets für englische Besatzer reserviert.

Hamburg. Aus heutiger Sicht ist es kaum zu glauben, doch bereits am 8. Mai 1945 - dem Tag der deutschen Kapitulation - fuhren wieder die ersten U-Bahn-Züge durch die Stadt. Allerdings war das Streckennetz noch ziemlich löcherig: Auf dem Ring fuhren die Bahnen von Barmbek bis Sternschanze, auf der Kelljung-Linie von Ochsenzoll bis Jungfernstieg; die Walddörferbahn verkehrte bis Ohlstedt und die Eimsbütteler Linie war nur eingleisig befahrbar. Die Züge kamen im 15-Minuten-Takt, und der erste Wagen war stets für die englischen Besatzer reserviert.

Auch die Straßenbahnen waren im Einsatz - als Zugmaschinen zum Abtransport der Trümmer. Das Beladen der Loren erledigten die "Trümmerfrauen" - per Hand. Eine weitere Form der Zweckentfremdung konnte man auf der Walddörferbahn erleben, die von vielen Hamburgern im ersten harten Nachkriegswinter zum Transport von Brennholz aus den waldreichen Gemeinden am Hamburger Stadtrand genutzt wurde, bis die Unternehmensleitung im Sommer 1946 diesen Holztransport aus "Sicherheitsgründen" verbieten ließ. Tatsächlich aber wurde die U-Bahn noch bis in die 1950er-Jahre hinein zum Gütertransport quer durch die Stadt eingesetzt.

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Die entscheidende Frage lautete jedoch: Wie sollte Hamburg wieder aufgebaut werden - auch verkehrstechnisch? Wilhelm Stein, der noch einmal für zwei Jahre auf den Stuhl des Vorstandsvorsitzenden zurückkehrte, hatte ehrgeizige Ziele, wollte die Zweiglinien zugunsten von "Durchmesserlinien" abschaffen. Die Eimsbütteler Zweigstrecke sollte unter Einbindung der Kelljung-Linie direkt in die Innenstadt weiterführen und schließlich in Billstedt enden. Diese Strecke sollte ab Hauptbahnhof über Wandsbek in die Walddörfer weiterführen; darüber hinaus war der Bau einer Jungfernstieg-Altona-Linie nach Lurup vorgesehen sowie ein weiterer (halber) Alsterring von Altona nach Borgfelde. Umgesetzt wurde von diesen Plänen jedoch wenig, und der Wiederaufbau der Rothenburgsorter Linie wurde sowieso verworfen, denn dort gab es zu diesem Zeitpunkt ja lediglich eine Trümmerwüste.

Die Stadtentwicklungspläne der aufkeimenden Wirtschaftswunderzeit sahen vor, dass die Besiedlungen in Hamburg sich im Umkreis der Schnellbahnstrecken konzentrieren sollten. Dadurch entschieden sich die Verkehrsplaner schon frühzeitig gegen das Leitbild einer "autogerechten Stadt", und sie verliehen den Schnell- und U-Bahnen den Stellenwert eines "Massenverkehrsmittels". Hypermoderne Park-and- ride-Anlagen sollten die Autofahrer zum Umsteigen auf die öffentlichen Verkehrsmittel bewegen.

So startete im Jahre 1955 ein großes Bauprogramm für die U-Bahn mit Strecken nach Wandsbek, Niendorf und Billstedt sowie die Verlängerung der Langenhorner Linie von Ochsenzoll nach Garstedt. Andere Projekte wurden allerdings schon in der Planungsphase Anfang der 1970er-Jahre aufgrund fehlender Geldmittel beendet. Insgesamt wurde das Streckennetz der U-Bahn auf 89,5 Kilometer vergrößert. Diese "Linien-Architektur" erhöhte das Platzangebot der Hochbahn vor allem in der Innenstadt beträchtlich.

Der enormen Bauwut fiel jedoch ein Verkehrsmittel zum Opfer, das für Hamburg seit Ende des 19. Jahrhunderts zum Stadtbild gehörte: 1958 beschloss der Senat die schrittweise Einstellung des Straßenbahnbetriebs bei gleichzeitiger Expansion des Busbetriebs. Dies geschah in wahrhaft atemberaubendem Tempo: Schon im Jahre 1966 überholte der Bus mit seiner Verkehrsleistung von 37 Prozent die Straßenbahn. Ende 1972 gab es rund 800 Busse, 680 mehr als noch 1950. Nach der Beendigung des Ausbauprogramms des U-Bahn-Netzes übernahmen Busse nun eine stärkere Zubringerfunktion, und mit dem Aufschwung des Busbetriebs verlor die Straßenbahn Jahr für Jahr an Bedeutung. "Uns ging damals die Schienenmentalität verloren", sagte ein ranghoher Hochbahner.

Die Bevölkerung wurde nicht nach ihrer Meinung gefragt, und es ist zu vermuten, dass eine Mehrheit der Bürger die Stadtbahn gerne fahren gesehen hätte. Selbst der damalige Hamburger Bürgermeister Hans-Ulrich Klose (SPD) sinnierte angesichts der "Massenbeerdigung" auf dem Hamburger Rathausmarkt, als die Hamburger am 1. Oktober 1978 tränenreichen Abschied von "ihrer" Straßenbahn, der Linie 2 nach Schnelsen, nehmen durften, nachdenklich in die Fernsehkameras: "Es kann sein, dass es ein Fehler gewesen ist, die Straßenbahn abzuschaffen."

Andererseits hatte die Hochbahn von Anfang an das Marktpotenzial des Busverkehrs erkannt. Schon 1960 wurden die ersten Eilbuslinien eingerichtet, mit denen die neuen Wohnsiedlungen in den Außenbezirken mit der nächstgelegenen U-Bahn-Haltestelle verbunden wurden, 1965 folgte die Gründung zahlreicher Werksverkehrslinien zu Hamburger Großbetrieben sowie der Nachtlinien.

Hamburg ist nach wie vor eine der ganz wenigen Metropolen auf der Welt, in der keine Straßenbahn fährt. Nicht wenige Verkehrsexperten sind jedoch der Meinung, dass die Grenzen des Busverkehrs in Hamburg schon sehr bald erreicht sein werden, da der Straßenverkehr zunehmen wird, und eine noch kürzere Taktung der Busse als der bestehende Fünf-Minuten-Zeitabstand in der Rushhour einfach nicht möglich ist. Gleichwohl darf das Thema Stadtbahn aus politischen Gründen derzeit keine Rolle spielen.

Doch die Pläne, heißt es, schlummern nach wie vor in irgendwelchen Schubladen ...

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