Ein Moratorium ist zwingend notwendig, denn dem Riesenprojekt fehlt immer noch ein durchdachter Zeit- und Investitionsplan

Pfusch am Bau, Stümper am Werk - die Energiewende ist gescheitert, bevor sie richtig begonnen hat. Planlos hat die Bundesregierung sich an den Umbau der Energieversorgung in Deutschland gemacht und eilig eine Neuausrichtung der Energiepolitik zusammengezimmert. Dem Gebäude "Energiewende" fehlt ein tragfähiges Fundament. Die Energiewende erweist sich zunehmend als Kartenhaus, das über den Köpfen von Bürgern und Wirtschaft zusammenzubrechen droht.

Sichtbares Zeichen der Plan- und Hilflosigkeit bei dem Riesenumbauprojekt: die Entlassung des verantwortlichen Architekten Norbert Röttgen durch die Bauherrin Angela Merkel. Fahrlässig die handwerklichen Fehler, die bislang gemacht wurden: Wichtige Grundprinzipien des Energiemarktes wurden auf den Kopf gestellt. Nicht der tatsächliche Bedarf soll in Zukunft die erzeugte Strommenge bestimmen, sondern das schwankende Angebot von Wind- und Sonnenenergie. Und dies hoch subventioniert und zu nicht wettbewerbsfähigen Herstellungskosten.

Die schon immer viel zu hohen deutschen Strompreise werden einen weiteren kräftigen Schub bekommen. So werden sich bis 2020 die deutschen Stromkosten seit 2004 mehr als verdoppeln und dann über 104 Milliarden Euro pro Jahr betragen. Die Industrie muss dabei einen Kostenanstieg von mindestens 14 Milliarden Euro pro Jahr verkraften. Auch Hamburg ist massiv betroffen und wird im Minimum 1,2 Milliarden Euro pro Jahr mehr für Strom ausgeben müssen, allein die hamburgische Industrie über 330 Millionen im Jahr. Dies wird an der deutschen und hamburgischen Wirtschaft, insbesondere an der Industrie, nicht mehr spurlos vorübergehen. Der Verlust an Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätzen droht. Die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten, insbesondere auch Hamburgs Erster Bürgermeister, können nicht mehr tatenlos zuschauen und müssen konkret mit den Unternehmen sprechen.

Noch schlimmer: Es droht sozialer Sprengstoff. Die Privathaushalte werden zukünftig über 1200 Euro jährlich alleine für die Stromrechnung zu zahlen haben. Dies ist für viele Familien mehr als ein Nettomonatseinkommen. Deshalb sind jetzt auch die Sozialdemokraten gefordert. Fassungslos macht daher der jüngste Vorschlag des früheren SPD-Finanzministers Eichel, dem Miterfinder der fehlgeleiteten Ökosteuer. Er will die Energiesteuern zusätzlich erhöhen, um Schulden abzubauen.

Deutschland braucht einen gesunden Mix aus fossilen Grundlastkraftwerken und den unstetigen erneuerbaren Energien. Auf die sinnvolle Kombination kommt es an, nachdem die emissionsfreie Kernenergie wegfallen wird. Aber beim Ausbau der wichtigsten erneuerbaren Energiequelle - der Offshoretechnik - hinkt Deutschland dramatisch hinterher. Es nützt nichts, wenn an Sonnentagen Spitzenstrommengen von Fotovoltaikanlagen generiert werden und diese nicht verbraucht werden können. Deshalb ist die Konzentration auf den Ausbau der Netze wenig hilfreich, wenn nicht gleichzeitig adäquate Speichersysteme geschaffen werden. Dies ist aber ebenfalls noch ein langer Weg.

Dem Projekt Energiewende fehlte von vornherein ein durchdachter Zeit- und Investitionsplan. Jetzt legten die Netzbetreiber alleine für den Netzausbau Kosten in Höhe 57 Milliarden Euro auf den Tisch. Wahrscheinlich werden es noch mehr. Die Gesamtinvestitionen für die Wende dürften hohe dreistellige Milliardenbeträge erfordern. Fragen der Wirtschaftlichkeit sowie des Klimanutzens wurden bislang trotzdem ausgeblendet. Das süße Gift der Subvention bleibt weiter Grundprinzip und soll Energieversorger und Anlagenbauer zum Investieren anreizen. Doch niemand baut freiwillig Kraftwerke, die unwirtschaftlich sein werden. Mit den Versorgern spricht die Kanzlerin auf Energiegipfeln, aber nicht mit den Verbrauchern, obwohl diese die Energiewende letztlich bezahlen müssen.

Damit die Energiewende mehr als die schöne Fassade eines aus machtpolitischen Gründen errichteten Potemkinschen Dorfes ist, bedarf es eines vorläufigen Baustopps. Ein Moratorium ist dringend geboten, bis alle handwerklichen Fehler behoben und ein echtes energiepolitisches Konzept vorliegt, das diese Bezeichnung auch verdient.