Ein Kommentar von Björn Jensen

Ein wenig Enttäuschung ist gestattet nach dem gestrigen French-Open-Aus von Angelique Kerber. Nachdem beim zweiten Grand-Slam-Turnier der Saison in Paris reihenweise Titelkandidatinnen gescheitert waren, hätte sich die Weltranglistenzehnte aus Kiel durchaus Chancen auf den ersten Triumph bei einem der vier Major-Turniere ausrechnen können. Typisch für deutsche Tennisprofis, werden nun einige sagen, dass dann eine "Namenlose" wie Sara Errani im Viertelfinale Endstation bedeutet. Doch diese Kritik greift zu kurz.

Zum einen ist die Italienerin, im weltweiten Ranking nur 14 Ränge hinter Kerber zu finden, Spezialistin auf Sandplätzen, während die deutsche Nummer eins schnellere Beläge schätzt. Zum anderen sollte man nicht vergessen, dass Kerber trotz der Erfolge der vergangenen Monate noch immer eine Lernende ist. Für die 24-Jährige ist die Belastung, Woche für Woche Topleistungen abrufen und als Gejagte klarkommen zu müssen, neu.

Jeder, der ihr nun mangelnde Fitness oder fehlenden Killerinstinkt vorwirft, sollte sich daran erinnern, dass diese Angelique Kerber vor nicht einmal einem Jahr nach Erstrundenpleiten in Paris und Wimbledon ihr Karriereende erwog. Seitdem hat sich vieles zum Guten verändert, weil sie richtige Entscheidungen getroffen hat. Tut sie das weiterhin und lernt, mit Dauerbelastung auf Topniveau umzugehen, bleibt sie Dauergast in Grand-Slam-Finalrunden. Gestern kündigte sie an, sich eine Auszeit zu nehmen. Eine Pause zur rechten Zeit - auch das gehört zum Lernprozess.