Neustadt. 16 Jahre Ungewissheit. 16 Jahre Unruhe und Angst. Eine halbe Ewigkeit ist es her, dass Sabine (Namen geändert) auf ihrem Fahrrad von einem Fremden angehalten, bedroht und in ein einsames Abbruchhaus gezerrt wurde, wo der Mann sich an der damals Zehnjährigen verging. 16 Jahre ließen das Grauen, die albtraumhaften Erinnerungen und die Furcht, dem Täter erneut zu begegnen, sie niemals los. Doch jetzt ist der Unbekannte kein Phantom mehr, er wurde endlich ermittelt, und er hat die Tat gestanden. Nun hat er seine Strafe bekommen für das, was er Sabine sowie in den folgenden Jahren drei weiteren Kindern und Jugendlichen angetan hat. Manfred K. muss für drei Jahre ins Gefängnis.

Lange hatte er sich gewunden. Hatte geleugnet, gezögert und getäuscht. Es war, als habe der heute 51-Jährige partout nicht einmal für sich selber wahrhaben wollen, wozu er ganz offensichtlich fähig ist. Doch schließlich konnte Manfred K. sich im Prozess vor dem Landgericht doch noch zu einem Geständnis durchringen. "Es war so, wie es in der Anklage steht", sagte er. Details über seine Taten? Nein, bitte nicht. Darüber mochte er nicht sprechen.

Nahezu unbeweglich saß der Hamburger auf der Anklagebank, den Blick trübe irgendwo im Nichts verloren. Seine Neigung, sich an Kindern zu vergreifen, schien ihm selber unerklärlich zu sein, etwas Fremdes, das ihn gegen seinen Willen packt. Eigentlich habe er keinerlei Affinität dazu, hatte er einem Sachverständigen erzählt und betont, dass er seit Jahrzehnten in einer guten Beziehung mit seiner Frau lebe, mit der er drei Kinder habe.

Doch tatsächlich war es offenbar so, dass der 51-Jährige zum Täter wurde, wenn es zu Hause schwere Probleme gab. Drei fremde Mädchen und Jungen im Alter zwischen acht und zehn Jahren waren seine Opfer, außerdem ein 14-jähriger Jugendlicher. Diesem letzten Opfer war es zu verdanken, dass die Taten aufgeklärt werden konnten. Der Jugendliche hatte den Täter, der nicht weit von seinem Zuhause im Hamburger Nordosten wohnte, erkannt und angezeigt. Die früheren Fälle konnten mithilfe der seinerzeit gesicherten DNA-Spuren aufgeklärt werden.

Der Missbrauch an der damals zehnjährigen Sabine im Jahr 1996 etwa. Oder sein Überfall fünf Jahre später auf einen Achtjährigen, den er überwältigte, als der Junge die Tür zu seinem Zuhause aufschloss. Er drängte das auch für sein Alter sehr zierliche Kind in den Keller und zwang es, ihn sexuell zu befriedigen. Vor drei Jahren dann sprach Manfred K. eine Neunjährige in der Nähe ihrer Schule an, hielt sie am Ranzen fest und zog ein Messer. Doch bevor er sie missbrauchen konnte, gelang es dem Mädchen fortzulaufen. Und zuletzt versuchte der Angeklagte, den 14-jährigen Jugendlichen zum Sex gegen Bezahlung zu überreden. Diese Tat vor elf Monaten wurde dem Mann zum Verhängnis. Er wurde erkannt und kam in U-Haft.

Mit dem Geständnis ersparte er seinen Opfern eine für sie möglicherweise sehr belastende Zeugenaussage. Das Leben von Sabine wurde bereits durch die Aussicht, sie müsse ihrem Peiniger nach 16 Jahren vielleicht wieder begegnen, derartig aus den Fugen gesprengt, dass sie sich wieder in therapeutische Behandlung begab. Eine Therapie sei es, die auch er für sich anstrebe, erklärte der Angeklagte nun im Prozess.

Manfred K. sei eine "tickende Zeitbombe", sagte eine der Nebenkläger-Vertreterinnen in ihrem Plädoyer. Zweieinhalb Jahre Gefängnis forderte die Staatsanwältin für den Angeklagten. Doch das Landgericht ging mit seiner Haftstrafe von insgesamt drei Jahren noch über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus. Dass der Angeklagte die Taten eingeräumt habe, müsse strafmildernd gewertet werden, betonte der Vorsitzende Richter. Einige der Opfer litten noch bis heute, sagte der Kammervorsitzende, vor allem die damals Zehnjährige und auch der achtjährige Junge, den Manfred K. in dessen Wohnhaus in den Keller zwang und dort missbrauchte. "Wenn ein Kind den Schlüssel umdreht und ins Haus geht, müsste es dort doch wohl sicher sein! Es war es aber nicht."