Ein Kommentar von Heinrich Oehmsen

Als Nils Wogram vor eineinhalb Jahren im Harburger Stellwerk gastierte, wollte nur eine Handvoll Jazzenthusiasten das Konzert des Posaunisten erleben, der zur europäischen Spitze zählt. Beim Elbjazz-Festival fesselte der in Zürich lebende Virtuose mehr als 1000 aufmerksam zuhörende Zuschauer mit seinem alles andere als eingängigen zeitgenössischen Jazz. Mit 20 000 Zuschauern hat Elbjazz die Nische verlassen, in die der Jazz oft hineingedrängt wird, und vielen Zuhörern die Ohren für neue, auch radikale Klänge geöffnet.

Nicht jeder, der Wogram, Francesco Bearzatti, Gabriel Coburger oder die Band von Mulatu Astatke live erlebt hat, wird jetzt zum Free-Jazz-Fan. Aber es besteht die Hoffnung, dass an diesem Wochenende viele Vorurteile über den Haufen geworfen wurden und diese spannende Musik neuen Zulauf bekommt. Davon würden vor allem Klubs wie das Birdland und die Bar 227, aber auch die Fabrik und andere kleinere Festivals profitieren.

Die Programmplaner sollten nach dem großen Erfolg etwas mehr Mut fürs kommende Jahr aufbringen. Teure Künstler wie Curtis Stigers oder Caro Emerald braucht man nicht mehr als Zugpferde. Im dritten Elbjazz-Jahr scheint bereits der Zeitpunkt erreicht, um das Profil zu schärfen und zu zeigen, dass in diesem Festival genauso viel Jazz steckt, wie Wasser die Elbe hinunterfließt.