Neustadt. Für eine Weile waren sie "schlicht happy". Mit unverhohlener Wehmut erinnert sich der grauhaarige Mann an die Zeit, als er und seine Ehefrau noch glaubten, einen richtigen Glücksgriff gelandet zu haben. Ein Prachtstück, diese historische Waffe, die sie da ganz unverhofft geschenkt bekommen hatten und die einen Ehrenplatz in ihrer Sammlung von Amerika-Devotionalien bekommen sollte. Doch das Gefühl von Euphorie währte nicht lange. Denn nach ihrem Urlaub kam einige Stunden und mehrere Tausend Kilometer später mit der Landung im heimatlichen Hamburg zugleich der unsanfte Absturz auf den Boden der Tatsachen. Und die besagten, dass das Rentnerehepaar sich mit dem mitgebrachten Gewehr dem Jahr 1878 strafbar gemacht hatte.

"Da wird man so alt, und dann kriegt man so'n Schiet" macht Roswitha S. (Namen geändert) jetzt ihrer Frustration Luft. Ganz aufrecht und sichtlich nervös sitzt die 72-Jährige auf der Anklagebank im Prozess vor dem Amtsgericht, ein elegantes Tuch um die Schultern und ein traurig-gequältes Lächeln im Gesicht. Auch ihr ein Jahr älterer Mann Helmut, der dicht neben ihr Platz genommen hat, wirkt wie die Zerknirschtheit in Person. Vom Klischee der unverbesserlichen Waffennarren sind die beiden wirklich meilenweit entfernt. Bemüht sind sie seinerzeit wohl gewesen, alles richtig zu machen, aber eben auch naiv. "Blauäugig" nennen sie heute ihr Verhalten, das ihnen eine Anklage wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz eingebrockt hat. Dem Ehepaar wird vorgeworfen, im November vergangenen Jahres "ohne Verbringungserlaubnis" das Gewehr der Marke Springfield aus Los Angeles nach Hamburg eingeführt zu haben.

Sie hätten in ihrer Wohnung "eine Amerika-Ecke", erläutert Helmut S. dem Richter und zeigt eilfertig und mit gewissem Stolz eine Fotografie ihrer Sammlung. "Wir dachten, ein Gewehr würde dort noch gut hineinpassen." Ein in den USA lebender Verwandter habe gesagt, er besitze noch eins von seinem Großvater, "und das würde er uns schenken". Sie hätten noch gezweifelt, ob er sich wirklich von der schönen alten Waffe trennen wolle. Aber er habe großzügig abgewinkt. "Er sagte: Bei euch ist das in guten Händen."

Bei ihrer Fluggesellschaft hätten sie sich daraufhin erkundigt, wie sie das historische Gewehr legal nach Deutschland transportieren könnten. "Wir bekamen die Auskunft, es müsse im Ticket eingetragen werden, das kostete 80 Dollar." Aber eine waffenrechtliche Erlaubnis hätten sie nicht gehabt, ergänzt der Angeklagte kleinlaut auf Nachfrage des Richters. "Wir wussten nicht, dass wir uns nach den deutschen Bestimmungen richten mussten. Das Gewehr war im normalen Gepäck, zerlegt in vier Teile, sonst kriegt man das gar nicht mit." Sie hätten die Waffe auch steuerlich anmelden wollen, doch beim Zoll sei ihnen erklärt worden, dass die Einfuhr illegal war. Eine Ausnahme hätte nur dann bestanden, wenn das Gewehr unbrauchbar gewesen wäre. Doch mitnichten: Laut Gutachten gab es an der Waffenmechanik der Springfield "keine Mängel, sie ist uneingeschränkt nutzfähig". Es wurde beschlagnahmt.

Doch das Gewehr ist Helmut S. lieb und teuer. "Ich hätte sie schon gern zurück", macht der 73-Jährige seinem Begehr Luft. Ob das möglich sei, wenn er es auf eigene Kosten unbrauchbar machen lasse? Etwa 200 Euro müssten dafür berappt werden, erklärt ein Zollbeamter, der als Zeuge geladen ist. Ein Büchsenmacher müsste die Waffe fachkundig bearbeiten. Unter anderem würden sechs kalibergroße Bohrungen in den Lauf gesetzt und das Patronenlager zugeschweißt. "Das ist in meinen Augen eine grobe Zerstörung." Das Gewehr sei "ein Unikat", schwärmt der Fachmann, "ein Teil Zeitgeschichte und außerdem in sehr gutem Zustand". Ein Sammler würde dafür wohl etwa 2500 Euro zahlen, schätzt er. Ein so gutes Stück zu zerstören, fände er "schade". Wenn das Ehepaar die Waffe alternativ zu Dekorationszwecken behalten wolle, müssten sie eine für Sammler aufwendige Prüfung ablegen und jedes Jahr mindestens eine Waffe kaufen, erläutert der Zollbeamte die Bestimmungen.

Letztlich ist für Staatsanwaltschaft und Richter klar, dass Helmut und Roswitha S. nicht vorsätzlich gegen das Waffengesetz verstoßen haben. Die Anregung des Richters, das Verfahren gegen eine Geldbuße einzustellen, möchte die Vertreterin der Anklage indes nicht mitmachen. "Jeder weiß, dass hier in Deutschland Einfuhr und Besitz von Waffen streng reglementiert sind." Der Amtsrichter verwarnt schließlich die Angeklagten. Geldstrafen in Höhe von jeweils 40 Tagessätzen, bei Helmut S. in Höhe von 50 Euro, bei seiner Frau wegen deren niedrigerer Rente zu 20 Euro, werden vorbehalten, also gewissermaßen zur Bewährung ausgesetzt. Die Waffe bleibt beschlagnahmt. Innerhalb von sechs Monaten müssen Helmut und Roswitha S. nachweisen, dass sie unbrauchbar gemacht wurde. "Und dann", erklärt der Richter dem Ehepaar, "können Sie sie zu Hause hinhängen."