Wenn Europa vor den griechischen Linkspopulisten einknickt, ist der Euro am Ende

Es war eine besonders bizarre Episode in der griechischen Tragödie: Am Dienstag traf sich der Linksradikale Alexis Tsipras mit seinen deutschen Gesinnungsgenossen Klaus Ernst und Gregor Gysi von der Linkspartei. Sie versicherten einander die Solidarität der Völker, plädierten munter für weitere Schulden und blieben ansonsten jeden Ansatz zur Lösung der Krise schuldig. Tsipras gab dabei den Helden in einem Schurkenstück - er inszenierte sich als "tief europafreundlicher" Politiker und verpackte seine Drohung in nette Worte. Die Euro-Staaten können Griechenland nicht fallen lassen, weil dann die Märkte sich auf Italien oder Spanien stürzen würden. Ein Ex-Kommunist gibt den Hasardeur - und weiß die Märkte in seinem Bunde.

In Griechenland, leidgeprüft und in einer Abwärtsspirale gefangen, verfängt diese Botschaft. Bei den Neuwahlen Mitte Juni könnte Tsipras' radikales Linksbündnis fast 30 Prozent holen, glauben Meinungsforscher. Nicht nur sie: Die Anleger verkauften gestern massiv Euros und drückten den Kurs der Gemeinschaftswährung auf den niedrigsten Stand seit 2010; die Börsenkurse fielen weltweit. Dementsprechend angespannt ist die Lage vor dem EU-Wachstumsgipfel. Angela Merkel gilt als isoliert, Forderungen nach Umverteilung des (deutschen) Geldes werden lauter und unverfrorener. Und als Begleitgesang erklingen einmal mehr die Warnungen vieler Ökonomen und Banker vor einem Ausstieg Griechenlands aus dem Euro. Sie sehen in diesem Fall das Chaos heraufziehen, einen Bankensturm, soziale Unruhen und eine Ansteckung der anderen südeuropäischen Staaten, die schlussendlich zum Auseinanderbrechen des Euro führen werde.

Doch anders als 2010 vermögen diese Prophezeiungen nicht mehr zu überzeugen. Schon die ersten Milliardenhilfen, die nur der Beginn gigantischer Transfers waren, wurden mit einer mutmaßlichen Ansteckungsgefahr begründet. Unsummen sind geflossen, trotzdem sind die Zinsen für andere Krisenstaaten massiv gestiegen; trotzdem schlüpften Portugal und Irland unter den Rettungsschirm. Zugleich hat sich die griechische Krise zugespitzt, die Wirtschaft befindet sich im freien Fall. Denn die europäischen Milliarden haben nicht die Wirtschaft oder die Bürger in Südosteuropa gerettet, sondern zunächst einmal das Finanzsystem.

Inzwischen dürften eine Insolvenz und der Euro-Ausstieg Griechenlands die Märkte nicht mehr schocken - sie ist seit Wochen zu erwarten. Daher darf Europa nicht auf Tsipras' Drohungen hereinfallen. Entweder die Griechen halten sich an die Absprachen, oder sie steigen aus. Schon jetzt ist Iren, Portugiesen und Spaniern nicht mehr zu erklären, warum sie noch sparen sollen, während die Griechen ihre Rettungsbedingungen zu diktieren versuchen. Der Euro stirbt nicht, wenn die Griechen aussteigen müssen. Der Euro stirbt aber, wenn Populisten wie Tsipras mit den Geldgebern Schlitten fahren.

Jede antike Tragödie hatte einen festen Aufbau und endete mit dem Exodus. Die Griechen haben noch die Wahl. Die Europäer indes sind gut beraten, bis Mitte Juni einen Plan B zu haben. Natürlich dürfte ein Austritt Griechenlands Verwerfungen auslösen, die Staaten werden ihre Banken stützen müssen, möglicherweise werden weitere Rettungsschirme nötig. Das marode Griechenland aber bekommt die Chance, bei null anzufangen - natürlich mit massiver humanitärer und wirtschaftlicher Hilfe aus Europa. Es wäre ein Ende mit Schrecken, aber nicht länger ein Schrecken ohne Ende.

Wie schrieb der Dichter Georg Christoph Lichtenberg einst: "Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll."