Nach dem tödlichen Raubüberfall auf ein Hamburger Ehepaar in Warschau ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Mordes. Peter H. und Silke G. hatten die ganze Welt bereisen wollen

Warschau. Sie wollten den Ruhestand als Weltenbummler genießen - das wurde ihnen zum Verhängnis. Unbekannte Räuber haben in Warschau das Schnelsener Ehepaar Peter H., 61, und Silke G., mit Kopfschüssen ermordet. In einem VW Crafter, einem zu einem Wohnmobil ausgebauten Kastenwagen, war das Paar zuletzt durch Europa gezogen und hatte ein Abenteurerleben geführt.

Noch ist vollkommen rätselhaft, wer die beiden Hamburger umgebracht hat, und vor allem, warum. Die Staatsanwaltschaft in Warschau hat nun eine Sonderkommission gegründet, die den außergewöhnlichen Fall aufklären soll.

Peter H. und Silke G. hatten die Lebensversicherung in ihr vierradgetriebenes Wohnmobil investiert und in Hamburg nur eine 68-Quadratmeter-Wohnung behalten. Allein der Neuwagen kostete 35 000 Euro, der Umbau zum Wohnmobil noch einmal 40 000. Sie wollten Europa bereisen, vor allem unberührte Natur genießen. Das erzählten sie noch kurz vor ihrer letzten Rundreise, die nun so tragisch in Warschau endete, dem Magazin "Stern". Als Peter H., Schadensregulierer einer großen Versicherung, nach seinem letzten Arbeitstag nach Hause kam, stand der rote VW Crafter voll getankt vor der Tür. Schon am nächsten Morgen sollte es losgehen. Silke G., ehemals Buchhalterin, hatte ihren Beruf bereits ein Jahr zuvor aufgegeben. Das Ehepaar wollte nach Polen, in ihr liebstes Urlaubsland.

Sie hätten sich immer vorgenommen, nicht mehr Jahre zu arbeiten als nötig, zitiert das Magazin Peter H. Als er die Chance bekommen habe, in Altersteilzeit zu gehen, habe er zugegriffen. Die Neugier auf ferne Landstriche und die Lust auf Abenteuer sei der große Nenner des Ehepaars gewesen. Klar sei für sie deshalb auch gewesen, dass sie ihr Erspartes niemals in Wohneigentum anlegen wollten, heißt es im "Stern". Sie investierten lieber in ihr Abenteuermobil, das sie vor ihrer verhängnisvollen Reise nach Warschau bereits Tausende Kilometer sicher durch Europa gebracht hatte.

Schon im Jahr zuvor war der weißhaarige Mann mit dem Schnauzbart, der heute Geburtstag gehabt hätte, und seine blonde Ehefrau auf einer Rundreise durch Osteuropa gewesen: Karlsbad, Pilsen Wien, Bratislava, Breslau und zurück.

In diesem Jahr wollten sie länger auf Tour sein, die Freiheit genießen. Den Crafter hatten sie mit Vierradantrieb ausrüsten lassen, um nicht auf breite, ausgebaute Straßen angewiesen zu sein, auch mal abgelegene Pfade benutzen zu können. Ein Drittel des Jahres, so plante das Ehepaar, wollte es unterwegs sein. Mindestens. Campingplätze, so erzählten sie dem "Stern", wollten sie weitgehend meiden.

Das Viertel in Warschau, in dem sie starben, ist nicht für hohe Kriminalität bekannt, wie der NDR herausfand. Dort hat die Tat noch kaum Einzug in die Medien gefunden - wohl auch, weil die Ermittler nur wenig Erkenntnisse mitteilen können. Laut NDR gibt es pro Jahr lediglich 600 Tötungsdelikte im deutschen Nachbarland. Die wenigsten davon würden mit Waffengewalt begangen. Die meisten Taten würden im engeren familiären Umfeld begangen. Raubüberfälle auf Touristen gebe es nicht im EM-Gastgeberland, sagten Ermittler dem Korrespondenten.

Gehen sie von einem Racheakt aus? Oder waren sie Zufallsopfer eines verwirrten Pistolenmannes? Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat mittlerweile Ermittlungen gegen unbekannt wegen Mordes aufgenommen, sagte Sprecher Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers.

Die Ermittlungsbehörde komme auch dann zum Zug, wenn Hamburger im Ausland Opfer einer Straftat würden. Beamte der hiesigen Mordkommission unterstützen die Arbeit der polnischen Ermittler bereits: Sie halfen, das Paar aus Schnelsen zu identifizieren, seinen Weg nachzuzeichnen.

"Wir gehen davon aus, dass das Ehepaar einem Raubmord zum Opfer gefallen ist", sagte Oberstaatsanwalt Möllers gestern auf Nachfrage. Darauf deuteten unter anderem die fehlenden Ausweispapiere. Zum genauen Tathergang konnte Möllers nichts sagen. Die Ermittlungsarbeit und die Zeugenbefragung zur Rekonstruktion der Tat sei Aufgabe der Polizei in Warschau.

Nur wenige Details sind bislang bekannt: Der 61-Jährige und seine 62 Jahre alte Ehefrau wurden mit Kopfschüssen nahe einer Kleingartenanlage im Süden der polnischen Hauptstadt niedergestreckt. Die Leiche der Frau wurde in dem Wohnmobil, die des Mannes davor entdeckt.

Medien berichteten, der Wagen des Ehepaars sei vermutlich während der Fahrt beschossen worden. Ganz in der Nähe ist die Auffahrt zu einer Schnellstraße. Möglicherweise hatte sich Peter H. trotz seiner schweren Verletzungen aus dem Wagen retten können, war dann aber überwältigt worden. Erst über die Autokennzeichen waren die Ermittler darauf gekommen, dass es sich bei den Toten um die Hamburger Weltenbummler handelte.

Die polnischen Ermittler haben gestern einen Zeugenaufruf gestartet: "Wir bitten Personen, die das Auto in Warschau gesehen haben oder etwas über die Todesumstände wissen, sich zu melden", gab Dariusz Slepokura von der Warschauer Bezirksstaatsanwaltschaft bekannt.

In dem lag übrigens d a s Buch der Weltenbummler: "1000 Places To See Before You Die" - 1000 Orte, die du gesehen haben musst, bevor du stirbst.