Stellingen. Sie trägt einen Ring. Doch eigentlich ist sie zu haben - wieder, leider. "Unser Gabelracken-Weibchen ist bedauerlicherweise früh Witwe geworden, und bisher haben wir keinen Ersatz für das Männchen gefunden", sagt Heidrun Rohr, Tierpflegerin im Tropen-Aquarium von Hagenbecks Tierpark. Natürlich stammt der Ring am rechten Bein der afrikanischen Vogelschönheit nicht von ihrem ehemaligen Partner, sondern vom Züchter. Doch eines trägt Gabelrackendame Juwel auf keinen Fall: Trauer. Rohr: "Sie macht einen sehr guten, munteren Eindruck."

Gabelracken, deren Name sich auf ihren gegabelten Schwanz bezieht, kommen im südlichen und östlichen Afrika vor, von Äthiopien und Somalia über Kenia und Tansania bis ins nördliche Südafrika, und an der Westküste von Angola über Namibia ebenfalls bis nach Südafrika. Die bis zu 45 Zentimeter großen Vögel sind außergewöhnlich bunt gefärbt, "und sie schillern so schön!", schwärmt Heidrun Rohr. So ist Juwel auch zu ihrem exquisiten Namen gekommen.

Tatsächlich sieht Juwel aus, wie einmal durch einen großen Kasten mit bunten Lidschatten gezogen: Ihre Brust ist violett, der Bauch hellblau gefärbt. Kopf und Nacken zeigen ein apartes Grün, ihr Gesichtsgefieder ist rötlich angehaucht. Während die Flügeldecken braun getönt sind, ist deren Unterseite leuchtend blau gefärbt. Und zum perfekten Abschluss gibt es noch einen weißen Streifen über den Augen und filigrane weiße Linien auf dem Kinn dazu. Wenn das kein Schmuckstück ist!

Und als sei sich Juwel ihrer Schönheit bewusst, präsentiert sie sich den Besuchern des Tropen-Aquariums auch nur zu gerne. "Sie sitzt fast immer gleich direkt hinter dem Eingang, auf dem Termitenhügel bei den Jemen-Chamäleons", verrät Heidrun Rohr. "Viele Besucher denken, dass sie unecht sei, weil sie sich nicht viel bewegt." Doch Juwel entgeht in dieser starren Haltung nichts. Im Gegenteil: Im Freiland nutzen Gabelracken erhöhte Punkte als Ansitze für ihre Jagd. Denn die Vögel haben es auf Insekten, Raupen, Skorpione und Spinnen abgesehen.

Um bei Hagenbeck auch einmal an einen besonders dicken, außerplanmäßigen Bissen zu kommen, gehe Juwel sogar manchmal bei den Reptilienfütterungen dazwischen und stibitze eine oder mehrere Heuschrecken, sagt Heidrun Rohr: "Sie ist in dem einen Jahr, das wir sie schon haben, recht zahm geworden." Dabei kann sich das Vogelweibchen an verschiedenen Futterstellen in der großen Halle rund um den Tag einen Mehlwurm to go abholen. Aber vielleicht macht ihr das Stehlen einfach mehr Spaß.

Besonders elegant würde sie sich dabei allerdings nicht anstellen, sagt ihre Tierpflegerin: "Wenn wir Heuschrecken hochwerfen für unsere Spinte, dann fängt sie die Insekten lange nicht so wendig wie die Spinte." Nein, Juwel sei "recht paddelig".

Bleibt zu hoffen, dass der Tierpark irgendwann wieder ein Männchen für das fliegende Kleinod findet. Denn wobei Gabelracken wirklich elegant aussehen sollen, ist der Paarungsflug, sagt Heidrun Rohr: "Dann wird die Gabelung an ihrem Schwanz ganz deutlich sichtbar." Und dann würde die jungerwachsene Juwel, die Heidrun Rohr auf zwei bis drei Jahre schätzt, vielleicht auch endlich einmal wieder etwas von sich hören lassen - denn ohne Partner hätte sie bisher geschwiegen.

Nur die Vorliebe zum Stehlen könnte vielleicht ein Problem werden: Sind die Vögel, die in ihrer Heimat Afrika in Baumsavannen, offenem Buschland und Kulturland leben, doch Höhlenbrüter. Und davon gibt es zwar ein paar schöne im Tropen-Aquarium - aber die sind zum Großteil besetzt. Da sollten dann alle gefiederten Wohnungsinhaber ein wachsames Auge auf ihre Unterkunft haben. Und auf die Juwelen.

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