Der Traditionsklub leidet unter dem Streit im Aufsichtsrat

Uwe Seeler hatte es jüngst in einem viel beachteten Abendblatt-Interview in seiner gewohnt klaren Sprache diagnostiziert. "Der Fisch", sprach die HSV-Legende, "stinkt immer vom Kopf her." Gemünzt war die Redewendung auf den Aufsichtsrat des HSV, das wichtigste Gremium des Traditionsklubs.

Da konnte Seeler noch nicht ahnen, wie sehr die Krise bei den Räten, die die Vorstände des HSV berufen und abberufen, noch eskalieren würde. Gestern trat Ernst-Otto Rieckhoff als Chef des Aufsichtsrats zurück. Er zog damit die richtige Konsequenz aus einem verheerenden Auftritt bei der Mitgliederversammlung am Sonntag. Wer öffentlich ohne jede Rücksprache all seinen Aufsichtsratskollegen den Rücktritt empfiehlt, kann diesem Gremium nicht mehr vorstehen. Rieckhoff ist mit seiner großen Mission, den Aufsichtsrat zu einen, gescheitert.

Doch konnte die Mission überhaupt gelingen? In einem Rat, in dem seit Jahr und Tag Intrigen, Eifersüchteleien und Misstrauen regieren? Verglichen mit dem Aufsichtsrat des HSV wirkt die schwarz-gelbe Koalition in Berlin wie der FC Harmonie. Und es ist mehr als fraglich, ob die von Rieckhoff und anderen Räten eingeforderte Verkleinerung des Gremiums das Problem wirklich lösen würde. Streiten lässt sich immer - ob mit zwölf oder mit sieben Mitgliedern.

Mehr denn je braucht der HSV einen Versöhner zwischen den Vertretern der mächtigen Fan-Organisation Supporters und den Persönlichkeiten aus der Wirtschaft. Die Chance für einen personellen Neuanfang ist sogar da, schließlich werden im Januar 2013 bis zu sechs Räte ausscheiden. Der jetzige Aufsichtsrat betreibt jedoch Anti-Werbung vom Feinsten - welcher honorige HSVer wird sich ein solches Amt, das so viel Zeit und Nerven kostet, in diesem Klima antun?

Vieles spricht dafür, dass der HSV sich wieder in einen langen Lager-Wahlkampf manövriert. Und genau das kann sich der Klub nach der schlechtesten Saison seiner Bundesliga-Geschichte nun überhaupt nicht leisten.