Kleinerer Aufsichtsrat, Fernwahl - was der HSV in seinen Strukturen bei der anstehenden Mitgliederversammlung ändern muss

Das war knapp! Nur mit viel Glück hat der letzte Dino in der Bundesliga überlebt. Alle anderen sind bereits ausgestorben, weil sie sich dem veränderten Profigeschäft nicht angepasst haben. Das darf dem HSV nicht passieren. Einen Artenschutz gibt es aber auch für ihn nicht. Deshalb muss er auf die veränderte Fußballwelt reagieren.

Die nächste Gelegenheit dazu bietet sich am kommenden Sonntag mit der Mitgliederversammlung. Die Vereinsmitglieder sind aufgerufen, an der Schaffung effizienter und transparenter Vereinsstrukturen mitzuwirken und den HSV fit für eine erfolgreichere Zukunft zu machen. Unter allen Anträgen stehen zwei zentrale Satzungsänderungen auf der Agenda, mit deren Annahme die Mitglieder wesentliche strukturelle Defizite beheben könnten.

Erstens leistet sich der Dino HSV mit seinen zwölf Aufsichtsratsmitgliedern noch immer das größte Kontrollgremium unter allen Bundesligisten: Abstimmungsprozesse sind dadurch zu lang, Entscheidungen zu schwerfällig, viele Sitzungen zu ineffizient, Verantwortung ist ungleich verteilt, und es kommt immer wieder zu Indiskretionen. Zum Vergleich: Der Ligaschnitt liegt bei sechs Mitgliedern! Und das hat seinen Grund.

Deshalb folgende erste Strukturänderung: Der HSV muss den Aufsichtsrat verkleinern. Acht Mitglieder sind eine optimale Größe, darunter je ein Gremienvertreter der Amateure und Supporters. Sportliche und wirtschaftliche Kompetenz müssen gleichermaßen unter den Räten vorhanden sein. Zudem sollten die Wahlen für den Aufsichtsrat in einer eigenen Mitgliederversammlung durchgeführt werden. Erfahrungsgemäß beanspruchen sie nämlich so viel Zeit, dass weitere wichtige Entscheidungen in den Hintergrund treten. Das ist nicht nur der Sache abträglich, sondern auch ungerecht gegenüber den vielen Ehrenamtlichen und engagierten Mitgliedern.

Zweitens lässt der HSV seine über 70 000 Vereinsmitglieder bei teilweise zehnstündigen Mitgliederversammlungen noch immer nur bei persönlicher Anwesenheit mitentscheiden. Das Ergebnis: Zuletzt kamen nur 1,5 Prozent der Mitglieder. Und zum Zeitpunkt der Abstimmungen waren viele bereits gegangen. Wegweisende Satzungsänderungsanträge wurden deshalb vertagt.

Deshalb folgende zweite Strukturänderung: Der HSV muss die Fernwahl einführen. Die Beteiligung an Entscheidungen würde deutlich zunehmen, Entscheidungen erhielten größere Legitimation, Abstimmungen wären schwerer zu beeinflussen und außerdem würde der vereinsinterne Willensbildungsprozess verbreitert. Der HSV würde damit insbesondere den rund 50 Prozent seiner Mitglieder die Abstimmung erleichtern, die nicht in Hamburg wohnen. Bei der letzten Hamburger Bürgerschaftswahl haben fast 18 Prozent von der Briefwahl Gebrauch gemacht. Beim HSV entspräche das einer Beteiligung von weit über 12 000 Mitgliedern, statt den 1000 Anwesenden bei der letzten Mitgliederversammlung.

Selbst Parteitage kann man heute unproblematisch per Livestream im Internet verfolgen. Auch das sollte ein moderner Verein für sich nutzen, um seine Mitglieder noch stärker an den Versammlungen zu beteiligen und über ein wirklich sicheres Onlinevoting mitentscheiden zu lassen. Das für die Wahlen notwendige Hintergrundwissen erwirbt man schließlich nicht erst in den Versammlungen - wenngleich sie auch weiterhin Gelegenheit zum persönlichen Treffen und Austauschen bieten sollen. Ein lebendiger Verein muss die Partizipation seiner Mitglieder auf allen Wegen fördern. Schließlich sind sie sein Kapital.

Natürlich hängt das Überleben des letzten Bundesliga-Dinos nicht allein von diesen Veränderungen ab. Aufsichtsrat, Vorstand und Trainerstab werden parallel weiter den Aufbau einer jungen erfolgshungrigen Profimannschaft voranbringen, die Jugendarbeit optimieren und intensivieren und die Infrastruktur des Vereins weiterentwickeln. Daneben sind aber auch die Mitglieder gefordert, das Überleben ihres HSV zu sichern. Die Evolution darf auch nach 125 Jahren vor ihm nicht haltmachen.