Ein Kommentar von Matthias Gretzschel

Manchmal sagt das Schicksal von Büchern viel über das Schicksal jener Menschen aus, die sie einst besessen haben. Das sieht man ihnen freilich nicht an; um es zu wissen, muss man es erst einmal wissen wollen. Jahrzehntelang wollten deutsche Bibliotheken kaum wissen, unter welchen Umständen sie Bücher während der NS-Zeit erworben haben. Für das, was inzwischen Raubkunst genannt wird, hat sich erst seit knapp zwei Jahrzehnten ein wirkliches Problembewusstsein entwickelt.

Immerhin hat die Kunsthalle bei der Provenienzforschung eine Vorreiterrolle gespielt. Und auch die Staats- und Universitätsbibliothek, die den verpflichtenden Namen Carl von Ossietzky trägt, bemüht sich inzwischen darum, ihrer historisch-moralischen Verantwortung gerecht zu werden. Bei der Restitution von Büchern geht es meistens nicht um hohe Beträge, sondern eher um ideelle Werte. Wenn die Stabi gestern einen Heinrich-Mann-Roman an die Großnichte des einstigen Besitzers zurückgegeben hat, spielte das zwar materiell kaum eine Rolle, trotzdem war es ein wichtiges Symbol - eine Geste, die wenigstens ein kleines Stück eines großen Unrechts korrigiert hat.