Ein Kommentar von Tom R. Schulz

Die schrecklichste Silbe in den Ohren aller Bühnenschaffenden heißt Buh. Sie ist das Schlussgespenst nach jeder Vorstellung oder auch mittendrin. Irgendjemand - ist es nur einer, sind es mehrere, die sich abwechseln, und wie viele Körperschützer sitzen wohl um den verbalen Heckenschützen? - macht sich seit einiger Zeit einen feigen Spaß daraus, Hamburgs Generalmusikdirektorin und Opernintendantin Simone Young mit diesem Ruf zu begrüßen, wenn sie als Dirigentin ans Pult tritt. Also schon vor vermeintlich schlecht erbrachter Leistung, und das keineswegs nur in Premieren. Steigerungsformen der Invektive sind "Aufhören!" oder "Geh nach Hause!", sogleich gefolgt von Gegenrufern, die "Raus!" brüllen oder "Schnauze!". Das Hamburger Opernhaus: ein Kindergarten im Dunkeln. Fehlt bloß noch die Keilerei.

Gefühle liegen ja blank in der Oper. Wer sie als Künstler zeigen will, der muss sein Herz aufmachen. Damit es nicht gleich platzt und ausläuft vor Schreck bei solchen Attacken aus der Zuschauerfinsternis, braucht man ein dickes Fell. Wie macht man das, Fell anbehalten und Gefühle zeigen? Gibt es dafür Workshops? Bei der "Ariadne"-Premiere stand Frau Young eine halbe Minute reglos, den Kopf Richtung Zuschauerraum. Suchte sie ihren Feind, beruhigte sie ihr Herz? Abhilfevorschlag: Das Opernhaus engagiert selbst einen Buhrufer. Der blökt, dann Spot auf ihn, Aufruhr, Keilerei. Danach wäre erst mal Ruhe. Wetten?