Vor sechs Jahren machte die blonde Hamburgerin erst ihren Führerschein. Heute ist sie Deutschlands einziges Profi- Motorrad-Stuntgirl.

Wo sie auftaucht, wird es laut. Auf dem Motorrad bewegt sie sich so sicher wie eine Turnerin auf dem Schwebebalken. Die Maschine ist kein Fahr-, sondern ein Sportgerät für sie. In Sekunden bringt sie die 200 Kilo schwere Honda GBR 600 aufs Hinterrad, fährt durch Feuerwände, legt die Füße aufs Lenkrad oder stellt sich bei Tempo 60 auf ihr Bike. Mai-Lin Senf, 26, ist Europas einziges Profi-Motorrad-Stuntgirl. Und macht mit Erfolg und Vergnügen, was Eltern sonst gern verbieten.

Mit 20 hatte die gelernte Zahntechnikerin aus Hamburg den Motorradführerschein gemacht und war zunächst Feld-Wald-Wiesen-Fahrerin. Nichts wies darauf hin, dass sie einen gefährlichen Beruf anpeilte: "In der Schule war ich immer die Ruhige, Schüchterne", sagt sie. Auf den Geschmack kam sie erst ein Jahr später, als sie bei einer Motorradmesse Stuntprofis erlebte: "Da hab ich mich mit dem Virus infiziert." Bei einem Wheelie-Workshop lernte sie als einzige Frau neben zehn Männern dann, zum ersten Mal auf dem Hinterrad zu fahren, beim Bremsen auf dem Vorderrad zu stehen (Stoppies), zu driften (auf nasser Fläche zu beschleunigen) - also das kleine Einmaleins der Präzisionsfahrer.

Das machte ihr so viel Spaß, dass sie ihren Job an den Nagel hängte und seit 2007 vom Stuntfahren lebt. Inzwischen gehört sie nicht nur zum Hamburger Double-Action-Stunt-Team, sondern ist auch in mehreren TV-Filmen und -Serien aufgetreten, unter anderem beim "Großstadtrevier", in der "SOKO Stuttgart" und bei der "Küstenwache".

+++ Motorradfahrer überholt auf Hinterrad Polizeistreife +++

Mai-Lin ("meine Mutter hat einen Hang zu ausgefallenen Namen") lebtin der Nordheide und ist ein Ein-Frau-Betrieb: Sie erledigt ihr Büro mit Buchungen und Touren selbst, trainiert mehrmals in der Woche auf Plätzen und im Fitnessstudio, tourt zu Motorradmessen, zu Stadtfesten und Events in ganz Europa. Auch auf die Arabische Halbinsel wird sie eingeladen - die Lady in Pink, denn Showdress, Bike und Tour-Truck sind pink, sogar der Showqualm, mit dem sie ihr Publikum einnebelt: "Ich muss mich ja irgendwie von den männlichen Fahrern absetzen."

Einen weiteren Unterschied zur männlichen Konkurrenz gebe es: Sie sei ein bisschen vorsichtiger und nehme sich mehr Zeit, neue Tricks einzuüben. Sicherheit stehe ganz oben auf ihrer Liste. Stets trägt sie unter Jeans und pinkfarbener Showjacke feuerfeste Wäsche. Zwar habe sie schon "jede Menge blaue Flecken und abgebrochene Fingernägel" gehabt, aber glücklicherweise noch keine schweren Unfälle und Brüche.

"Ich muss vorsichtig sein, weil ich auch modele", sagt sie. "Da muss ich ja hübsch bleiben!" (HA)