Zwei Powerfrauen: Hannelore Kraft (SPD) könnte nach der NRW-Wahl die wichtigste Gegenspielerin von Angela Merkel (CDU) werden

Frauen haben ein genauso leidenschaftliches Verhältnis zum Fußball wie Männer. Das ist noch nicht wissenschaftlich bewiesen. Es lässt sich aber im Feldversuch auf Stadiontribünen und Regierungssesseln beobachten. Man verfolge beispielsweise das Hüpf- und Klatschverhalten von Angela Merkel, 57, und Hannelore Kraft, 50. Die Kanzlerin fiel in Foto, Fernsehen und Facebook öffentlich auf, weil sie bei verschiedenen Fußballweltmeisterschaften begeistert vom Ehrenschalensitz aufsprang und jubelte, wann immer ein deutscher Nationalspieler dem gegnerischen Strafraum nahe kam.

Sogar mit dem halb entblößten Mesut Özil ließ sich Merkel in der Umkleidekabine ablichten. Ihr Blick dabei ist mehrfach als entrückt beschrieben worden. Das ist die milde Form im Vergleich zu NRW-Ministerpräsidentin Kraft. "Auf der Tribüne gehe ich ab", sagt Kraft. Seit die studierte Ökonomin und am Sonntag voraussichtlich wiedergewählte Landesmutter in Mönchengladbach eine Banklehre machte (nicht Ersatzbank!), ist sie glühender Borussia-Fan. Muss der Stadionbesuch politisch bedingt ausfallen, lässt sich Kraft per SMS über Tore informieren.

Wenn die eine am Montag in Berlin, die andere in der Landeshauptstadt Düsseldorf oder in ihrem Reihenhaus in Mülheim/Ruhr aufwacht, könnte es eine neue Machtkonstellation in Deutschland geben: Merkel (CDU) als unangefochtene Kanzlerin und Kraft (SPD) als wichtigste Gegenspielerin. Hier die auffälligsten Unterschiede: Kraft ging zum Fußball, der Fußball kam zu Merkel. Hier die Pastorentochter, aufgewachsen im Osten, dort die Arbeitertochter, in deren Herz und Kopf das Ruhrgebiet pulsiert. Bei beiden bleibt der Gatte im Hintergrund. Merkel nahm sich einen Professor zum Mann, Kraft einen Elektroinstallateur.

Im Regierungsstil gelten beide als gute Moderatoren. Doch beide können sehr barsch werden, wenn sie verärgert sind. Körperlich sind Kanzlerin und Ministerpräsidentin robust. Das entspricht einem weiblichen Erfahrungswissen, das einst Schleswig-Holsteins Regierungschefin Heide Simonis in diese Worte gekleidet hat: "Wenn man sich gegen Männer durchsetzen will, darf man in Sitzungen nicht zwischendurch aufs Klo gehen. Sonst entscheiden die hinterrücks." Auch das ist eine Lehre aus dem Hochleistungssport, der nach Erfolgskriterien der Politik durchaus ähnelt: Wenn man mit Konkurrenten körperlich gleichauf ist, entscheidet am Ende die Psyche.

Kraft und Merkel sind immer unterschätzt worden, die eine als "Mädchen", die andere als fleißiges Lieschen. Dabei haben sie meist nur am Fluss der Zeit gewartet, bis ihre innerparteilichen Gegner vorbeigeschwemmt wurden. Auf ihrem Weg rang Merkel mit Größen wie Helmut Kohl, Wolfgang Schäuble, Friedrich Merz. Kraft hatte Wolfgang Clement und Peer Steinbrück auszuhalten. Doch während Merkel nicht wirklich ein Bad in der Menge genießt, wie Helmut Kohl es konnte, ist Kraft die Frau, die zupackt: Hände schüttelnd und knuddelnd bewegte sie sich durch den Wahlkampf. Sie sprach die knorrigen Ostwestfalen und Sauerländer ebenso an wie die leichtfüßigen Rheinländer. Und ihr "Hömma" ("Hör mal zu") aus der Mülheimer Schnauze ist so legendär wie ursprünglich.

Von Merkel ist keine große Rede erinnerlich. Kraft jedoch berührte die Menschen, als sie nach der Katastrophe um die Duisburger Loveparade von den Ängsten und der Trauer einer Mutter sprach. Ihr Sohn Jan wollte auch mittanzen. Er blieb unverletzt, doch sie konnte ihn nach der Nachricht vom Unglück lange nicht erreichen.

Rätselhafterweise bleiben politische Niederlagen an beiden nicht haften. Verlorene Landtagswahlen, verfassungswidriger Haushalt - alles kein Makel. Derzeit streiten Hertha BSC Berlin und Fortuna Düsseldorf darum, wer den letzten Platz in der Fußball-Bundesliga bekommt. Nach dem Hinspiel in Berlin steht es 2:1 für Düsseldorf. Eine Metapher für die Politik? Die Erfahrung mit der seit 2005 regierenden Kanzlerin und ihren Erfolgen bei G8-Gipfeln, in Washington, Peking und Paris zeigt: Merkel ist auswärts am besten.