Heute entscheidet die Bürgerschaft, ob die Stadt 543,5 Millionen Euro für die Beteiligung ausgibt. Maximale Kosten, minimaler Effekt

Die Bürgerschaft entscheidet heute, ob die Stadt Beteiligungen für Strom, Gas und Fernwärme erwirbt. Schon die Konstruktion ist bemerkenswert. Die Energieversorger Vattenfall und E.on Hanse haben den Netzbetrieb auf Tochtergesellschaften übertragen oder werden dies noch tun. Die Stadt soll sich mit 25,1 Prozent an diesen Netzgesellschaften beteiligen und hierfür an Vattenfall und E.on 543,5 Millionen Euro zahlen. Durch eine Nachbewertungsklausel kann der Kaufpreis auf bis zu 606,6 Millionen Euro steigen.

Doch werden die Netzgesellschaften große Teile des Netzbetriebes nicht selbst durchführen, sondern durch ein intransparentes Geflecht von Dienstleistungs-, Austausch- und sonstigen Verträgen auf Gesellschaften von Vattenfall und E.on zurückübertragen. So besteht die Gefahr einer Gewinnverschiebung und Aushöhlung der Netzgesellschaften. Denn warum sollten Vattenfall und E.on nicht versuchen, die Sahne abzuschöpfen, anstatt mit der Stadt zu teilen? Hamburg ist als Minderheitengesellschafter in einer denkbar schlechten Position, um Kündigungen oder Vertragsneuanschlüsse der konzerninternen Leistungsverträge durchzusetzen. Zumal Vattenfall im Streit um die Endschaftsregelung unter Beweis gestellt hat, eigene wirtschaftliche Interessen notfalls gerichtlich gegen die Stadt durchzusetzen.

Der Kaufpreis für die Minderheitsbeteiligungen soll auf Pump finanziert werden, durch neue Schulden. Zwar erhält die Stadt eine garantierte Dividende von 4,2 Prozent in den Bereichen Gas und Strom bzw. von 4,5 Prozent im Bereich Fernwärme. Gegenzurechnen sind aber die Zinsen in Höhe von drei Prozent, die die Stadt für die Schulden aufbringen muss. Für das unternehmerische Risiko und die Tilgung bleibt eine schmale Rendite von 1,2 Prozent (bzw. 1,5). Und auch die ist nur so lange gewiss, wie die Garantiedividende zugesagt ist, also bis Ende 2017 für Gas und Fernwärme, bis Ende 2018 für Strom. Wie sich danach die Renditen oder die Zinsen für die Schulden der Stadt entwickeln, steht in den Sternen.

Im Übrigen: Die 543,5 Millionen Euro sind nur der Kaufpreis, den die Stadt an Vattenfall und E.on zahlen soll. Mögliche Investitionen für eine Modernisierung oder Dezentralisierung der Netze, wie sie unter den Bedingungen der Energiewende auf die Netzgesellschaften und deren Gesellschafter zukommen, sind nicht eingepreist.

Um einen häufigen Irrtum auszuräumen: Für die Energiewende kann über eine Beteiligung an den Netzen kaum etwas erreicht werden. Denn der Netzbetreiber muss - kontrolliert von Bundesnetzagentur und Kartellbehörden - eine diskriminierungsfreie Durchleitung garantieren, und zwar für Atomstrom aus Frankreich genauso wie für Ökostrom aus Windkraftanlagen. Bei der Expertenanhörung der Bürgerschaft haben alle Sachverständigen bestätigt: Wer einen wirksamen Beitrag zu Energiewende oder Klimaschutz leisten will, der muss bei Energieproduktion oder Verbrauch ansetzen, aber nicht bei den Netzen. Auch für die Verbraucherpreise wird nichts erreicht, weil die Durchleitungsgebühren von der Bundesnetzagentur streng reguliert werden. Und bei den Investitionsverpflichtungen von Vattenfall und E.on, mit denen der Senat sein Konzept dekoriert hat, ist bislang unklar, in welchem Umfang sie nicht ohnehin für Instandhaltung der Netze sowie den Ersatz des Kraftwerkes Wedel angefallen wären. Auch die Minderinvestitionen von rund 250 Millionen Euro für den Verzicht auf die Fernwärmetrasse von Moorburg nach Altona werden in der Diskussion bislang unterschlagen.

Fazit der beabsichtigten Beteiligungen: maximale Kosten für minimalen Effekt. Stattdessen sollten die Energienetze nach Ablauf der Konzessionen neu ausgeschrieben werden. Und zwar ohne Vorzugsstellung für Vattenfall und E.on Hanse.

Die Stadt sollte die Netze weder selbst übernehmen noch sich an einem Bieter in den Ausschreibungsverfahren beteiligen. Stattdessen sollten alle Bieter die Auflage erhalten, Konzepte vorzulegen, die dem rationellen, sparsamen und ressourcenschonenden Umgang mit Energie dienen. Das würde der Energiewende und dem Klimaschutz wirklich nutzen - und keine neuen Schulden oder Risiken zulasten der Hamburger Steuerzahler verursachen.

Der Anwalt Thomas-Sönke Kluth, 51, ist wirtschaftspolitischer Sprecher und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Hamburger FDP