Die Integration ist besser als ihr Ruf. Jetzt fehlen nur mehr Bildungsangebote

Geht es in Deutschland um Integration, geht es vor allem um Defizite. Um arbeitslose Zuwanderer, die nicht Deutsch lernen wollen, um kriminelle Jugendliche mit "Migrationshintergrund", wie es so schön heißt. Es geht um Parallelgesellschaften und Problemviertel, in die nicht mal die Polizei hineinzugehen wagt. Es geht um Zwangsehen und um Mädchen, die nicht am Schwimmunterricht teilnehmen dürfen, weil es ihnen ein strenger Vater untersagt.

Das zeigt: Geht es in Deutschland um das Thema Integration, wird es sehr schnell sehr einseitig. Populisten haben in den vergangenen Jahren eine breite Palette an verzerrten Bildern und übertriebenen Warnungen geschaffen, die Ressentiments schüren und dem krisengeplagten Bürger als Feindbild gegen soziale Abstiegsängste serviert werden.

Die gute Nachricht ist: All das hatte nur wenig Wirkung.

Das gestern veröffentlichte neue Integrationsbarometer des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration belegt: Das Zusammenleben von Zuwanderern und Einheimischen funktioniert deutlich besser, als viele meinen. In der deutschen Bevölkerung hat sich ein pragmatisch-optimistisches Integrationsklima etabliert. Man geht gelassen und grundsätzlich positiv miteinander um, das eigene Verantwortungsgefühl für den Erfolg von Integration ist auf fast 85 Prozent gestiegen. Die Wissenschaftler haben dabei die konkreten persönlichen Erfahrungen abgefragt: Urteile statt Vorurteile. Die große Mehrheit beobachtet ein gelungenes Zusammenleben vor allem in der eigenen Nachbarschaft und hat den Eindruck, dass es dort besser funktioniert als sonst in Deutschland.

Der tatsächliche Stand der Integration ist also sehr viel weiter als die Debatte darüber. Die Gesellschaft lässt sich durch bisweilen hysterische Töne nicht beirren. Zwar haben Fragen, ob die Bundesrepublik ein Einwanderungsland sei oder ob der Islam zu Deutschland gehört, heftige Diskussionen in Politik und Talkshows ausgelöst. Mit etwas Menschenverstand konnte sie jedoch auch der Normalbürger ganz ohne Aufregung mit Ja beantworten, ohne dass das Abendland unterging: Vor mehr als 50 Jahren wurde das Anwerbeabkommen mit der Türkei unterzeichnet, und in Hunderten Moscheen zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen gehen Muslime zum Gebet. Unser Wertefundament, beruhend auf der Aufklärung und der Trennung von Staat und Religion, wird dadurch trotzdem nicht zerstört.

Das alles bedeutet nicht, vor Missständen die Augen zu verschließen. Es bedeutet aber, sie ohne Lust am Skandal und ohne Schaum vor dem Mund zu benennen. Wenn Migranten häufiger arbeitslos sind, häufiger die Schule abbrechen oder rechtsstaatliche Grundsätze missachten, ist das durchaus ein Problem. Ihm durch Abgrenzung zu begegnen ist jedoch der falsche Weg.

Längst haben Forscher und Teile der Politik erkannt, dass die Lösung aus drei wesentlichen Elementen besteht: Bildung, Bildung und noch mal Bildung. Auch die aktuelle Studie sieht darin die zentrale Baustelle der Integrationspolitik. Doch kleinere Schulklassen gerade in Problembezirken, Ganztagsangebote bei der Kinderbetreuung oder Sozialarbeiter sind teuer. Die chronisch klammen Kommunen müssen für viele solcher Angebote aufkommen und rufen nicht umsonst nach Hilfe von Bund und Ländern. Integration hängt damit nicht nur vom guten Willen aller Beteiligten, sondern auch von den finanziellen Mitteln ab. Die Investition in Bildung ist jedoch die beste und nachhaltigste, die derzeit vorstellbar ist. Sie kommt allen zugute, Zuwanderern und Einheimischen. Und sie hilft auch, klug mit spaltenden Ressentiments unverbesserlicher Polemiker umzugehen.