Ein Kommentar von Kai-Hinrich Renner

Okay, es gibt Hoffnung: Mit Anja Reschke hat Gruner + Jahr erstmals eine junge unabhängige Frau in die Jury des Henri-Nannen-Preises berufen. Die unsinnige Kategorie "Humor" wurde abgeschafft. Und offenbar haben die Juroren diesmal darauf verzichtet, an der Vorjury vorbei Stücke eigener Blätter zu nominieren.

Weniger erfreulich ist, dass das Reglement des Preises ein solches Vorgehen nach wie vor zulässt. Noch immer dürfen Juroren für Beiträge eigener Blätter votieren, was etwa bei den Lead Awards nicht möglich ist. Und seltsam mutet an, dass es nach wie vor keinen Online-Preis gibt, wo doch die Trennung von Print und Online längst als Anachronismus gilt.

Und dann ist da der immer noch nicht aufgearbeitete Fall René Pfister: Der "Spiegel"-Redakteur hatte in einem Porträt über Horst Seehofer dessen Hobbykeller beschrieben, ohne dort gewesen zu sein. Die Juroren merkten nichts und verliehen ihm vergangenes Jahr den Reportage-Preis. Als Pfister aber arglos bei der Preisverleihung einräumte, nie im seehoferschen Keller gewesen zu sein, entschied die Jury-Mehrheit, dass er seinen Preis zurückgeben müsse. Dabei wäre sein Vorgehen bei einem Porträt - nicht aber bei einer klassischen Reportage - vertretbar gewesen.

Es wird noch dauern, bis der Henry wieder der große Preis ist, der er einstmals war.