8000 Beschäftigte in der Hansestadt legten die Arbeit nieder. Konflikt um Forderung nach unbegrenzter Übernahme von Azubis spitzt sich zu.

Hamburg. "Übernahme - unbefristet! Übernahme - unbefristet!" Immer wieder rufen die Hamburger Metaller lauthals eine ihrer Forderungen. Geht es nach ihrem Wunsch, so sollen die Arbeitgeber tariflich dazu verpflichtet werden, ihre Auszubildenden nach der Prüfung unbefristet zu übernehmen, statt ihnen wie bisher nur einen Jahresvertrag anzubieten. Dafür wollen die Beschäftigten in der Tarifverhandlung bundesweit kämpfen, junge wie ältere - auch in Norddeutschland.

Die Entschlossenheit der Beschäftigten, sich für ihre Interessen stark zu machen, scheint groß: In drei Demonstrationszügen aus Altona, vom Rathausmarkt und von Steinwerder aus durch den Alten Elbtunnel zogen gestern Morgen rund 4000 Beschäftigte aus den Hamburger Betrieben zum Spielbudenplatz auf dem Kiez, wo eine zentrale Kundgebung abgehalten wurden. Der Platz an der Reeperbahn war gut zweieinhalb Stunden lang in der Hand der IG Metall Küste und ihrer Mitglieder - geprägt von roten Fahnen, Spruchbändern und dem schrillen Klang von Trillerpfeifen. Buhrufe gab es gegen die Blockadehaltung der Arbeitgeber, Applaus für die Forderungen der Gewerkschafter, dazwischen Gute-Laune-Musik der Band "8 to the Bar".

+++ Warnstreikwelle rollt – Hunderte in Hamburg beteiligt +++

Selbst zwischenzeitliche Schauer konnten niemanden verschrecken. Mitarbeiter von fast allen Metall- und Elektrobetrieben aus der Hansestadt waren vertreten - von Airbus, Blohm + Voss, Siemens, Mercedes, Philips, Arcelor Mittal, Hauni, Still, Jungheinrich bis hin zu Diehl. In den Betrieben selbst legten in Hamburg weitere 4000 Beschäftigte die Arbeit nieder. Auch in Bremen, Lübeck, Rendsburg, Wilhelmshaven und Rostock protestierten laut IG Metall 6000 Beschäftigte oder ließen die Arbeit ruhen. Es war der erste Warnstreik im Norden und sichtbares Signal für die hohe Streikbereitschaft.

Im Tarifstreit geht es um drei Kernforderungen, sagte der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Meinhard Geiken. Die Gewerkschaft fordert für die rund 140 000 Mitarbeiter im Norden 6,5 Prozent mehr Lohn. Zudem treten sie für eine unbefristete Übernahme der Azubis ein und für mehr Mitbestimmung beim Einsatz von Leiharbeitern.

Die Arbeitgeber von Nordmetall haben bisher ein Lohnplus von drei Prozent für 14 Monate vorgelegt. Ein Angebot, das für den norddeutschen Gewerkschaftschef indiskutabel ist. "Uns ein solches wahnsinniges Angebot in Zeiten zu machen, wo die Unternehmen Milliardengewinne eingefahren haben, ist eine Sauerei", bricht es aus Geiken heraus. Und die Menge jubelt und applaudiert. Deutschland sei exportabhängig, doch der Euro-Raum schwächele. Deshalb müsse die Binnennachfrage gestärkt werden, indem die Menschen mehr Geld ausgeben können. "Und genau dafür brauchen wir 6,5 Prozent mehr in der Lohntüte."

Neben gleichem Lohn für gleiche Arbeit müssen die Betriebsräte zudem mehr Mitspracherechte beim Einsatz von Leiharbeitern erhalten. Geiken schwebt eine Obergrenze von sechs Monaten für Leiharbeiter vor.

Ein flammendes Plädoyer für die unbefristete Übernahme von Azubis hielt die Jugend- und Auszubildendenvertreterin von Still, Natascha Meier, 20. "Die Unterstellung der Arbeitgeber, Azubis würden dadurch faul, ist absolut respektlos." Angesichts des Fachkräftemangels sei die Zeit reif, jungen Leuten eine Perspektive zu geben und die Angst vor prekärer Beschäftigung zu nehmen. "Lasst uns nicht im Regen stehen", sagt die Abiturientin, die bei Still zur Industriemechanikerin ausgebildet wird.

Die norddeutschen Arbeitgeber sehen die Situation anders. "Wir lehnen eine unbefristete Übernahme nicht ab, aber deren tarifliche Regelung", sagte der Nordmetall-Sprecher Peter Haas. 70 bis 75 Prozent der Azubis würden schon jetzt von den Betrieben übernommen. Sollte eine tarifliche Übernahmepflicht durchgesetzt werden, würden sich Betriebe als Ausbilder zurückziehen oder schwächeren Kandidaten keine Chance mehr geben.

Jürgen Lammers, 47, Mitarbeiter von Airbus, hält die Übernahme von Azubis für essenziell. "Den Jungen muss eine Zukunft gegeben werden. Zugleich brauchen wir Älteren sie für unsere Rentenzahlungen." Den Mercedes-Mitarbeitern ist vor allem das Lohnplus wichtig. Bei Leiharbeit und den Azubis sei hausintern schon viel erreicht worden, was aber auch tarifvertraglich für alle verankert werden sollte, meint der Betriebsratsvorsitzende Norbert Dehmel. So übernimmt Mercedes 90 Prozent aller Azubis unbefristet, bei Leiharbeit wird - wie bei Airbus - gleicher Lohn für gleiche Arbeit bezahlt. Für Christine Melich, 47, die seit 30 Jahren bei Siemens in der Fertigung arbeitet, sind alle drei Forderungen so "wichtig und richtig", dass sie auch dafür bereit sei, notfalls zu streiken.

Am 9. Mai ist die nächste Verhandlungsrunde in Bremen. Schon jetzt bereitet sich die Gewerkschaft auf einen Arbeitskampf vor. "Streik ist nicht unser Ziel, sondern ein vernünftiges Verhandlungsergebnis", sagt Geiken. Die Metaller vor der Bühne bleiben aber bei ihrer Forderung und rufen unüberhörbar: "Übernahme - unbefristet!"