Geduld ist gefragt. Mit bis zu neun Monaten Lieferzeit müssen Kunden in Hamburg rechnen. Es gibt massive Probleme mit Teilen aus Japan.

Hamburg. Vor elf Wochen begann die Atomkatastrophe in Japan, doch manche ihrer Auswirkungen erreichen die deutsche Wirtschaft erst mit langer Verzögerung. Das bekommen auch deutsche Autokäufer zu spüren: Auf einzelne Modelle müssen sie bis zu neun Monate lang warten, manche Sonderausstattungen und Farben sind überhaupt nicht lieferbar.

So beträgt die Lieferzeit beim neuen Minivan Verso S des von dem Jahrhunderterdbeben schwer getroffenen Herstellers Toyota derzeit acht bis neun Monate, wenn auch "mit abnehmender Tendenz", wie Kurt Kröger, Geschäftsführender Gesellschafter des Hamburger Autohändlers Dello, dem Abendblatt sagte. Üblich seien Fristen von sechs bis acht Wochen. Nach Angaben von Toyota sank die weltweite Produktion von Toyota im April um 48 Prozent auf 346 297 Fahrzeuge. Honda meldete ein Minus von knapp 53 Prozent, während die Stückzahl bei Nissan um 22 Prozent zurückging.

Doch wegen der komplexen Zulieferketten beschränken sich die Folgen der Produktionsunterbrechungen im Fernen Osten nicht auf Autos japanischer Konzerne, wie Kunden von Citroën erfahren müssen: "Bei zwei Ausführungen des Modells C5 haben wir sieben bis acht Monate Lieferzeit", sagte Holger Hansen, Verkaufsleiter der Niederlassung Hamburg in der Süderstraße. Auch für andere Fahrzeugtypen gelte: "Bestimmte Ausstattungen sind im Moment nicht bestellbar, wenn sie nicht zum Serienumfang gehören." Solche Engpässe gebe es etwa bei Rückfahrsensoren, Navigationsgeräten, USB-Anschlüssen und elektrischen Fensterhebern an den hinteren Türen. Zudem könne Citroën zwei Außenfarben nicht liefern.

Unter dem Engpass bei den Farben leiden auch andere Autobauer. Der Hintergrund: Ein Werk des deutschen Chemiekonzerns Merck, das nur 57 Kilometer südlich von Fukushima mit seinen havarierten Kernreaktoren liegt, war mehrere Wochen geschlossen. Es ist die weltweit einzige Produktionsstätte für bestimmte Perlglanzpigmente, die von Autolackherstellern eingesetzt werden. "Das Werk hat schon am 8. Mai den Regelbetrieb wieder aufgenommen", sagte Merck-Sprecher Gerhard Lerch. Er könne aber nicht ausschließen, dass es weiter Engpässe bei Autobauern gibt, denn diese konnten zunächst noch auf Lagerbestände zurückgreifen. Um künftig nicht mehr von einem einzigen Werk für die Glanzpigmente abhängig zu sein, will Merck bis Ende 2011 eine Produktionslinie in Deutschland aufbauen.

Peugeot hat wegen der Engpässe sechs Farben aus dem Programm genommen. "Wir sprechen mit den Kunden darüber, welche alternativen Farben infrage kommen", sagte Maarten Schlenhoff, Leiter des Standorts Altona bei Peugeot Hanse. Auch der HDI-Dieselmotor mit 140 PS wurde gestrichen, weil ein Zulieferteil aus Japan fehlt. Kunden, die auf Sonderausstattungen wie bestimmte Navigationsgeräte nicht verzichten möchten, müssten zwei bis drei Monate länger auf ihren Wagen warten als üblich. Bei Honda kann "bis auf Weiteres" die Topvariante des Modells Jazz nicht bestellt werden, weil das Glasdach nicht mehr zugeliefert wird. Verlängerte Wartezeiten gebe es noch beim Jazz Hybrid (Liefertermin bei Neubestellung: August) und beim allradgetriebenen CR-V (September), in Einzelfällen könnten noch bis zu zwei Monate hinzukommen, sagte Alexander Piccu, Abteilungsleiter bei Honda Deutschland. Beim Hamburger Autohaus Franz Pohl, Händler für die Marken Mazda und Suzuki, verlängern sich die normalen Lieferzeiten von rund vier Monaten bei einzelnen Modellen um bis zu zwei Monate, sagte Verkaufsleiter Michael Jaursch. Dies gelte vor allem für Fahrzeuge mit Allradantrieb. Auch Klaus Back, Geschäftsführer des Mazda-Händlers Back & Boldt, spricht von Verzögerungen bis zu zwei Monaten.

Kunden von Nissan müssten noch bis Mitte des Jahres mit "vereinzelten Lieferproblemen" rechnen, sagte Michael Bierdümpfl, Sprecher von Nissan Deutschland. "Alle Werke laufen wieder, außerdem werden 80 Prozent der Fahrzeuge, die wir hier verkaufen, ohnehin in Europa produziert."

Auf die Produktion von BMW hätten die Ereignisse in Japan keine Auswirkungen mehr, so Sprecher Frank Wienstroth. Wegen der allgemein guten Nachfrage müssten Kunden jedoch bis zu sechs Monate auf ihr Auto warten. Ähnliches gilt für den Volkswagen-Konzern: "Verzögerungen wegen Zulieferengpässen gibt es nicht, aber auf die sehr gefragten Modelle Tiguan und beim Audi Q5 muss man fünf bis sechs Monate warten", sagte Ricardo Dienelt vom Hamburger Händler Auto Wichert. Auch bei Mercedes kommt es nach eigenen Angaben nicht mehr zu Engpässen wegen Zulieferungen aus Japan.