Hamburg. Was früher das Wetter war, ist jetzt die Ernährung: Gesprächsthema Nummer eins! Das musste ja kommen. Als wären wir nicht schon gestraft genug. Erst BSE, dann Gammelfleisch, die Vogelgrippe, Schweinepest, Dioxin-Eier, verstrahltes Gemüse, kontaminierte Fische und jetzt auch noch unsere gesunde Bio-Rohkost. EHEC!

Wäre der Spargel betroffen, gäbe es in weiten Landstrichen bereits keine Bevölkerung mehr. Ernährungsberater schießen wie Pilze aus dem Boden. Kochsendungen müssen ihre Kon- und Rezepte ändern oder werden gleich ganz abgesetzt. Das Robert-Koch-Studio empfiehlt einen Stresstest für Gurken.

Ich würde Politiker, insbesondere die noch verbliebenen von der sogenannten FDP, hinzuziehen. Ein gewisser Zusammenhang ist ja nicht zu leugnen. Folgendes Gespräch zwischen Christian Lindner (FDP) und Guido Westerwelle (ebenfalls FDP) wurde in einem Berliner Restaurant belauscht: "Du, Guido, ich gebe dir heute mal einen aus. So einen herrlich frischen, großen gemischten Salat." "Und was nimmst du, Christian?" "Ach, im Moment nichts. Ich hatte gerade einen Windbeutel."

Lindner, ein Mann der auch im Hochsommer mit einer Plastiktüte über dem Sattel Fahrrad fährt.

Also, was soll man denn nun noch essen? Egal, was man zurzeit zu sich nimmt, es kommt mir so vor, als ob der Bauer auf dem platten Land seinen selbst gebrannten Schnaps probiert. Im wahrsten Sinne des Wortes eine Blindverkostung! Ich habe mich schon dabei ertappt, wie ich neidvoll um den Fressnapf meiner Katze geschlichen bin. Aber ist das eine mögliche Lösung? Tiernahrung? Passierte Innereien? Ich fange langsam an, Geschmacksverstärker zu mögen. Konserven aus der Bundesreserve werden gerade zu Schwarzmarktpreisen gehandelt.

Sogar das Luftholen soll inzwischen gefährlich sein!

Kann uns vielleicht die Pharmaindustrie retten? Das wäre nicht das erste Mal. Mit Penicillin im Schweineschnitzel wurde schon so manche Angina-Epidemie bekämpft. Und nicht zu vergessen der berühmte Pharmaschinken. Allerdings, wenn ich immer das machen würde, was mir die Werbung im TV-Vorabendprogramm empfiehlt, sähe mein Tag wie folgt aus: morgens erst einmal der Griff zur Flasche. Einen großen Schluck Abführ-Tropfen. Mein Darm nimmt dankend an, und somit ist der Vormittag verplant.

Ich komme vom Klo nicht mehr hoch, kann einfach nicht mehr aufstehen. Durch den enormen Flüssigkeitsverlust habe ich Muskelkrämpfe. Dagegen nehme ich Unmengen von Magnesium ein. Während ich am Schlucken bin, lese ich auf der Packung: "... die erhöhte Einnahme von Magnesium kann abführend wirken." Ups. Der Nachmittag ist somit auch im ... Eimer!

Jetzt kommen auch noch Gliederschmerzen hinzu. Ich schmiere mich umständlich mit Kytta-Salbe ein. Ich bin nun mal kein Indianer. Ich kenne eben Schmerz. Aus dem Fernseher im Wohnzimmer höre ich derweil den Hinweis: "... zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage, oder fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker."

Das würde ich ja gern tun, aber es ist bereits 19 Uhr - und folglich niemand mehr erreichbar.

Dann doch lieber gleich Rohkost. Na bitte, geht doch.

Nils Loenicker ist Kabarettist und Mitinhaber von Alma Hoppes Lustspielhaus. Sein satirischer Wochenausblick erscheint jeden Montag.