Für den Bauernkalender 2012 sucht eine prominent besetzte Jury in der Handwerkskammer Bauerntöchter und “schöne Landeier“.

Hamburg. Ihr Hof, ihr Trecker, ihr Bulle. Die Beweislage ist eindeutig: Die Jenny kommt vom Land. Und während die 19-jährige Abiturientin aus dem schleswig-holsteinischen Borstel, wo es 372 Einwohner und "viel mehr Rindvieh" gebe, ihre Fotos vor der Jury ausbreitet, ergänzt sie: "Dieser Jungbulle heißt übrigens Bernie. Wenn er groß ist, wird er Nacken- und Hüftsteak."

Jennifer Rohlfs, die auf einem Bauernhof aufgewachsen ist, wird Laborantin. Model wäre aber auch okay, sagt die junge Frau mit dem weizenblonden Haar. Deshalb ackert sie sich in der Handwerkskammer Hamburg, die Mistgabel in der einen, die Milchkanne in der anderen Hand, für den Fotografen Michael Steiner ("Yeah, gib mir dein kernigstes Lächeln!") ab. Die Macher des deutschen Bauernkalenders, der 2012 zum zweiten Mal in einer Auflage von 9999 Exemplaren erscheinen soll, suchen Frauen mit dem richtigen Stallgeruch. Die Bauernregel: "Die Mädchen müssen einen echten Bezug zum Landleben haben. Bloß eine Katze zu besitzen, reicht da nicht", sagt Herausgeber Mike Helmy von der schweizerischen Magic Fox Media GmbH.

Nix Katze. Plötzlich steht ein Kalb auf dem Flur. An der Leine hat es Joanna Vossen, die mit ihrem Mann in Hollingstedt einen Hof führt und dort "das Fruchtbarkeitsmanagment verwaltet", wie die 24-Jährige, die rustikale Karobluse fesch über dem Glitzer-Bauchnabelpiercing zusammengeknotet, der Jury unter Vorsitz von Peyman Amin verkündet.

Der "Model-Macher", der einst neben Heidi Klum "Germany's Next Topmodel" suchte, fahndet jetzt in einem kahlen Konferenzraum nach gut-bäuerlichen Motiven. "Eine Laufsteg-Figur brauchen die Mädchen nicht. Auf dem Land gehört Holz vor der Hütte dazu", fasst Peyman Amin, der in München eine Modelagentur betreibt, die Anforderungen zusammen. Ihm an die Seite gesetzt sind Loulou von Brochwitz, als "Topmodel" angekündigt und einer kleineren Öffentlichkeit aus dem medialen Auswanderer-Dramolett "Goodbye Deutschland" vertraut, und die Rostockerin Laura Holzlöhner, die es im vergangenen Jahr in den Bauernkalender geschafft hatte. Die 22-Jährige trägt, wie quasi jede Bäuerin bei der täglichen Arbeit, ein Mini-Dirndl und erzählt, dass ihr die Aufnahmen durchaus etwas eingebracht hätten. Also mehr als die warholschen 15 Minuten Ruhm. "Mir wurden einige Modeljobs angeboten", sagt die Studentin der Agrarwissenschaften. "Ich stand zum Beispiel auch schon für einen Kostümverleih vor der Kamera."

Auch Friederike Propach, die sogar aus der Nähe von Köln angereist ist, will einmal erleben, "dass mein Foto nicht nur bei uns in der Küche hängt". Für ihren Freund, einen Landwirt, habe sie nämlich schon zwei Kalender in Eigenregie angefertigt. Loulou von Brochwitz, die als "Exotin" ("Schweizerin in den USA") und Pin-up-Model in Las Vegas weiß, dass der Job hart sein kann, fragt: "Machst du auch topless?" Kurzes Zögern. "Wenn alles verdeckt ist, schon", sagt die Rheinländerin und posiert in rosa-weiß gestreiften Dessous neben der blechernen Milchkanne.

An den Gemälden großer Meister aus dem deutschsprachigen Raum, wie Egon Schiele und Albert Anker, sollen sich die Kalenderbilder, die Ende Juni aufgenommen werden, orientieren, so die Macher. Etwa 300 Mädchen hätten sich insgesamt beworben, sagt Mike Helmy. 20 seien nach Hamburg eingeladen worden, 30 nach München, wo am heutigen Sonnabend ein weiteres Casting abgehalten wird.

Danach entscheidet sich die Jury für 13 Kandidatinnen, zwölf für die Monatsblätter und eine fürs Titelfoto. "Ich hoffe, ich bin dabei", sagt Bauerntochter Claudia Wulf, mit 34 Jahren eine der älteren Kandidatinnen. "Endlich können wir mal zeigen, dass das Leben auf dem Land nicht nur öde, sondern auch sexy ist."

Dass seine Tochter Vanessa, eine angehende Landwirtin, gute Chancen hat, davon ist Hans-Peter Jahn aus Leer überzeugt. Wie zum Altar geleitet der 54-Jährige ADAC-Mitarbeiter mit dem eindrucksvollen Zwirbelbart seine 18-jährige Tochter zum Jurytisch. Deren Outfit, halterlose Strümpfe in spitzen Lederstiefeln und schwarze Korsage, sei zwar "nicht so ländlich", merkt Peyman Amin kritisch an, doch das macht die junge Frau mit ihrer Begeisterung für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge wett: "Wenn ich auf der Straße einen Traktor höre, dann rast mein Herz."

Karina Ladwig, Rinderwirtin aus dem Emsland, hat nicht ihren Vater dabei, dafür aber ihr Hündchen Fluke. "Sie ist mein Kind, meine beste Freundin, meine Psychologin", schwärmt die 21-Jährige, die viel tätowierte Haut zeigt - und ihre Oberarmmuskulatur. "Wenn du in der Landwirtschaft arbeitest, kannst du dir das Fitnessstudio echt sparen."

Ob sie es in den "Recall", also die engere Auswahl, schafft? Für Jenny Rohlfs und ihre Freundin Kristin Asbahr, deren Vater einen Betrieb mit Ackerbau in Krems bewirtschaftet, sieht es jedenfalls gut aus. Vielleicht können die jungen Frauen also bald noch ein weiteres Foto vorzeigen: das aus dem Bauernkalender 2012.